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Leserbrief in "Die Zeit" Nr. 22 v. 25.5.00 zu:
Kurzer Prozess,
M. Klingst: "Ärger, erste Instanz, Zeit Nr. 19/
Horst Eylmann: "Hilfe für Rot-Grün", Zeit Nr. 20
von Eberhard Stilz, Präsident des Oberlandesgerichts, Stuttgart

Mir ist der Wert eine raschen Entscheidung wohl bewusst. Aber die "Kunst des schlanken Prozesses" ist nur dann eine Kunst, wenn noch ein fairer Prozess übrig bleibt. Sonst wird aus der Kunst eine rechtsstaatliche Kulturschande.

Wie schön, dass der Gesetzentwurf dies wohl bedacht zu haben scheint. In seiner bisherigen Fassung ist nicht zu befürchten, dass er dazu beitragen könnte, die Prozesse zu verschlanken. Alle mir bekannten Praktikeräußerungen lassen das Gegenteil erwarten: Die Verfahren der ersten Instanz werden umfangreicher, aufwändiger, länger, die zweite Instanz wird lebensfremder, revisionistischer.

Bei aller Kunst wird es den Richtern nicht gelingen, die bisherigen durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten auch nur zu halten. "Besitzstandsdenken" und die Kunst des schlanken Prozesses wären so gesehen keine Gegensätze.