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Langsame und reformresistente Justiz

Bemerkungen zu einer Stellenausschreibung

In einer Stellenausschreibung der Justizbehörde Hamburg heißt es nach eingehender Beschreibung der üblicherweise gewünschten fachlichen und persönlichen Eigenschaften der Bewerber in völlig unüblicher Manier:

"Schließlich wird von der Bewerberin bzw. dem Bewerber .........erwartet, dass sie bzw. er aktiv dazu beiträgt, das in der Öffentlichkeit, aber auch in bestimmten Fachkreisen anzutreffende negative Bild einer langsamen und reformresistenten Justiz durch Wort und Tat aufzuhellen."

Wer dies als Teil des Anforderungsprofils für ein Amt formuliert, konstatiert gravierende Defizite. Das skizzierte Bild setzt sich zusammen aus den Vorwürfen langsamer Justiz und reformresistenter Justiz. Da stellt sich schon gleich die Erinnerung an die "Termitenrede" Hoffmann-Riems oder der Vorwurf des "arroganten und elitären" Berufsstandes, der ein "auf sich selbst zurechtgeschnittenes Weltbild" hat, und sich als "ein oft in sich selbst drehender Verwaltungsapparat." darstellt vergleiche (MHR 99/4, Seite 5).

Wie befremdlich es ist, in Politik, Exekutive und Legislative Hamburgs Frontstellungen zur Justiz vorzufinden, wird deutlich, wenn man erlebt, wie in Schleswig-Holstein Justizpolitik betrieben wird. Modernisierung in erheblichem Maße vollzieht sich im Konsens zwischen Richterschaft, Staatsanwälten und einem Justizminister, der sich als Sachwalter der Dritten Gewalt verhält.

Daß besonders die Verwaltungsgerichtsbarkeit, um die es bei der Stellenausschreibung geht, sich bei Hamburgs Politikern keiner großen Beliebtheit erfreut, wissen wir seit den Ausfällen eines ehemaligen Bürgermeisters. Dies sind Äußerungen, auf die die sensationsgierige Presse gerne aufnimmt und verbreitet. Wer also prägt das "in der Öffentlichkeit anzutreffende Bild?"

Was mit dem "in bestimmten Fachkreisen anzutreffenden Bild" über die Justiz gemeint ist, erschließt sich wohl nur Insidern. Es darf aber angenommen werden, daß sich dieses Bild nicht nur aus eigenen Erfahrungen jener Fachkreise speist, sondern ebenfalls von der "Öffentlichkeit" beeinflußt wird.

Langsame Justiz? Wer minimiert die Ressourcen der Hamburger Justiz? Die in Hamburg herrschende Einsparmentalität zeitigt konsequent ihre Folgen. Das Landgericht Hamburg z.B. hat in diesem und im nächsten Jahr jeweils 7 Richterstellen einzusparen. Bei den Kammern für Handelssachen, bisher einem Profitcenter der Hamburger Justiz, kommt es in diesem Jahr zur Streichung der dritten Kammer innerhalb weniger Jahre. Welcher Widersinn zu meinen, daß die Bereitstellung von Computern die richterliche Arbeit in der Weise so verringert, daß der richterliche Bereich Stelleneinsparungen dieses Umfangs verkraften könnte. Daß solche Art der "Straffung", die es in anderen Bundesländern übrigens nicht gibt, zu Verzögerungen der Verfahren führt, ist unausweichlich. Hierfür trägt die Politik die Verantwortung, nicht die Justiz!

Reformresistent ist die Hamburger Justiz nun wahrlich nicht – auch wenn auf schnelle Erfolge bedachte Senatoren dies seit Jahren behaupten. Reformkritik aus der Justiz richtet sich nicht gegen Modernisierung und die rechtverstandene Einführung betriebswirtschaftlicher Werkzeuge im exekutiven Bereich der Justiz. Die Kritik richtet sich gegen eine Behörde, die sich aus der Sicht der im operativen Geschäft tätigen Richter weniger als Sachwalterin der Dritten Gewalt versteht denn als ihre übergeordnete Behörde.

Die Beobachtung dieser Entwicklung legt die Frage nahe, ob es denn eigentlich selbstverständlich ist, daß die dritte Gewalt am Tropf der Exekutive hängt.

Rainer Voss, der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, jeder Reformfeindlichkeit unverdächtig, hat anläßlich der Regierungsbildung in Berlin zutreffend bemerkt (DRiZ 2000, A 1):

"Wir dürfen uns nicht damit abfinden, im immer größer werdenden Schatten der Exekutive zu leben und zum Spielball von Koalitionsrunden zu werden. Die Justiz ist aufgerufen, über ihre Selbstverwaltung nachzudenken."

So ist es. Und wir in der ach so reformresistenten Hamburger Justiz beginnen nun, uns zu fragen, warum wir denn nicht eine wirkliche Reform auf den Weg bringen und uns von dieser Bevormundung lösen. Lägen Budgetverantwortung, Budgetantragsrecht, Personalverwaltung, Controlling und weitere exekutive Aufgaben in den Händen der Justiz selbst, entfiele die Gefahr einer die Unabhängigkeit der Dritten Gewalt gefährdenden Außensteuerung. Wir könnten uns dann gelassen selbst mit neuen Steuerungsmodellen befassen.

Ziel muß es sein, in der Modernisierung der Justiz einen eigenen Weg zu gehen. Das für die Kommunalverwaltung entwickelte Neue Steuerungsmodell taugt nicht für das Verhältnis einer Verwaltung zur einer unabhängigen Staatsgewalt. Um unseren eigenen Weg zu finden, brauchen wir keinen externen Gerichtsmanager, der finanz- und betriebswirtschaftlich hochgerüstet ist, dem aber die besondere Substanz der Dritten Gewalt unbekannt und demgemäß gleichgültig ist. Das, was den Richtern in der Verwaltung der Gerichte an entsprechenden Kenntnissen fehlen mag, läßt sich erwerben.

Wenn in der Öffentlichkeit das Bild einer reformfeindlichen Justiz entstanden sein sollte, dann durch die Behörde und die Politik selbst. Sieht man, wie in anderen Bundesländern eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in Sachen Modernisierung zu Erfolgen führt, fragt man sich, wieso dies in Hamburg nicht auch möglich sein soll. Zuhören statt monologisieren, Konsens suchen statt scharf zu machen, Pläne rechtzeitig offenlegen und zur Diskussion stellen statt fertige Konzepte in großen Runden zu präsentieren und vor allem für Akzeptanz zu sorgen, indem sich die Sachwalter als solche gerieren - all das wären Bausteine vertrauensvoller Zusammenarbeit.

Zurück zur Stellenausschreibung, die Anstoß für diese Betrachtung war: Der Leser und die Leserin sollten noch erfahren, wer denn in dieser Ausschreibung gesucht wird. Es ist nicht ein Pressesprecher, der das triste Bild aufhellen sollen. Die Suche richtet sich auf den Präsidenten bzw. die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts selbst! Hätten Sie es gedacht?

Durch "Wort und Tat" soll der/die Gesuchte das tieftraurige Bild der reformresistenten und renitenten Justiz aufhellen. Das "Wort" kann man sich ja noch vorstellen. Aber die "Tat" zur Aufhellung? Beispielhaftes Benchmarking in Sachen Modernisierung? Durchgesetzt gegen den erbitterten Widerstand der reformresistenten Verwaltungsrichter? Der Präsident als Ritter wider die Termiten, die das Fundament unterhöhlen? Einer der den Richtern Beine macht?

Aber es war ja von "aufhellen" die Rede. Warten wir es ab, wer die Lichtgestalt sein wird.

Karin Wiedemann