(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/00) < home RiV >
Rückblick und Ausblick

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

haben auch Sie in letzter Zeit immer häufiger anhand Ihres Terminkalenders etwas ungläubig feststellen müssen, dass die Zahl der Termine, die sich für das Jahr 2000 noch unterbringen lassen, äußerst begrenzt ist? Diese Feststellung ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass auch dieses Jahr mit der magischen Zahl unwiderruflich und schneller, als man glauben möchte, sich dem Ende nähert.

Dies soll Anlass sein für einen kleinen Rückblick und einen Ausblick.

Der Vorstand des Hamburgischen Richtervereins hat sich im Laufe dieses Jahres vermehrt mit Gesetzgebungsvorhaben zu befassen gehabt, dabei vorrangig natürlich mit der geplanten ZPO-Reform. Gegenstand der Erörterungen sind aber auch Pläne zur Reform der Rechtsmittel im Strafverfahren und die Vorschläge der StPO-Kommission des DRB zur Reform des Strafverfahrens sowie Überlegungen des DRB zur Stärkung des Adhäsionsverfahrens gewesen.

Besonders die Reformpläne des Bundesministeriums der Justiz auf dem Gebiet des Zivilprozessrechts haben für lebhafte Diskussionen im Kollegenkreise gesorgt, aber auch zu zahlreichen Gesprächen mit der Anwaltschaft geführt. Bei diesen Gesprächen ergab sich - und es war wohltuend, dies zu konstatieren - in weiten Bereichen eine völlige Übereinstimmung in der Bewertung des nunmehr als Gesetzentwurf der Bundesregierung vorliegenden Reformvorhabens. Doch trotz der im Grundsatz und in vielen Einzelpunkten vorgetragenen Kritik an den Reformplänen scheint gleichwohl aufgrund der konkreten Entwicklungen die weitreichende Neuregelung "unserer" ZPO in absehbarer Zeit bevorzustehen. Die Auswirkungen für die Ziviljustiz werden in allen Instanzen deutlich spürbar werden, und zwar - wie ich meine - mit erheblichen Nachteilen für den rechtsuchenden Bürger trotz der vom Ministerium immer wieder beschworenen Bürgerfreundlichkeit und Bürgernähe der Reformpläne.

Diese Reform wird die Gerichtsverwaltungen und die Richterschaft vor viele neue Probleme stellen, die keine Veränderung zum Besseren erwarten lassen.

Im übrigen hat man den Eindruck, dass die Gesetzgebungsmaschine trotz aller Rufe nach der Reduzierung gesetzlicher Regelungen (Stichwort "Gesetzesflut") immer schneller läuft, denn wiederholt haben wir erleben müssen, dass bereits in Kraft befindliche Gesetze schon deshalb von den zuständigen Gerichten nicht angewandt werden konnten, weil die Gesetzestexte im Wortlaut noch gar nicht allgemein bekannt und auch nicht ohne Probleme zugänglich waren.

Kaum hat uns zum Beispiel das Gesetz zur Vereinfachung und Beschleunigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens vom 30.03.2000 in Form einer "Mogelpackung" etliche weitreichende Änderungen auch im Rahmen des Bürgerlichen Gesetzbuchs beschert, so stehen schon wieder Überlegungen für eine Reform des BGB ins Haus, und zwar diesmal eine grundsätzliche in Form eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, das als Entwurf zur Stellungnahme vorliegt und einschließlich Begründung 630 (!) Seiten umfasst.

Die Belastungssituationen der Gerichte und Staatsanwaltschaften waren wiederholt Themen in den Vorstandssitzungen und haben letztlich den Vorstand bewogen, die rechtspolitischen Sprecher der in der Bürgerschaft vertretenen Parteien um ein Gespräch zu bitten. Dieses Gespräch hat auch stattgefunden, wenn auch leider infolge der kurzfristigen Anberaumung nicht alle Parteien vertreten waren, und zu einem anregenden Informationsaustausch geführt. Das Ergebnis dieses Gesprächs hat der Vorstand in einem Schreiben festgehalten, das Sie in diesem Heft abgedruckt finden. Wir haben auf diese Weise versucht, im Interesse unserer Mitglieder zumindest in dem für uns möglichen Umfange Einfluss auf die Haushaltsdebatte insoweit zu nehmen, als es uns darum ging, die Belange der Justiz und die ihr obliegenden vielfältigen Aufgaben noch einmal nachdrücklich herauszustellen und die Notwendigkeit einer soliden finanziellen Ausstattung gerade auch im Interesse aller Bürger zu verdeutlichen.

Zur Förderung des wechselseitigen Verständnisses zwischen Richterschaft und Anwaltschaft hat wiederum das nun schon traditionelle Treffen zwischen den Vorständen des Hamburgischen Richtervereins und des Hamburgischen Anwaltvereins stattgefunden. Inzwischen hat es auf Initiative der Vertreter unserer jungen Kollegen aus Richterschaft und Staatsanwaltschaft auch eine Begegnung mit den jungen Anwälten gegeben, die bei den angesprochenen Personenkreisen auf große Resonanz gestoßen ist und deshalb wiederholt werden wird.

Aufgrund einer dankenswerten Initiative des Schleswig-Holsteinischen Richterverbandes, vertreten durch den engagierten Vorsitzenden Andreas Martins, hatten wir Gelegenheit, unseren Mitgliedern die Teilnahme an einer Tagung in Salzau zum Thema "Nationalsozialismus und Justiz" anzubieten. Leider hatten von der Möglichkeit, an dieser Tagung mit dem sehr spannenden Tagungsprogramm teilzunehmen, nicht allzu viele Kollegen Gebrauch gemacht, diejenigen aber, die nach Salzau gefahren waren, berichteten begeistert. Einen Eindruck können Sie gewinnen aus dem in diesem Heft abgedruckten Beitrag unseres Kollegen Dr. Enderlein. Eine Wiederholung der Veranstaltung ist für das Jahr 2002 geplant.

An dieser Stelle sei Herrn Martins nochmals ausdrücklich für die Initiative zu dieser gemeinsamen Veranstaltung gedankt.

In Fortführung solcher gemeinsamen Veranstaltungen hat der Vorstand beschlossen, engere Kontakte mit den Landesverbänden im Norden zu entwickeln, insbesondere also zu den Landesverbänden in Bremen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen.

Hinweisen möchte ich noch auf ein weiteres Vorhaben, dessen Durchführung im Vorstand beschlossen wurde: Es sollen den jüngeren Kolleginnen und Kollegen Fortbildungsveranstaltungen zu einigen praxisrelevanten Themenbereichen angeboten werden, um Hilfestellung für die Einarbeitung in bestimmte Problemfelder zu geben. Gedacht ist zunächst an eine Veranstaltungsreihe zum Thema: "Der Bauprozess". Wir wollen versuchen, erfahrene Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen, die bereit sind und Interesse daran haben, ihre Erfahrungen an jüngere Kolleginnen und Kollegen weiterzugeben.

Nicht unerwähnt bleiben dürfen bei einem solchen Rückblick die drastischen Veränderungen, die dieses Jahr für die Kolleginnen und Kollegen bei der Staatsanwaltschaft gebracht hat. Der Umzug in neue Räume und die Neuorganisation der Staatsanwaltschaft hat alle Betroffenen sehr belastet und zusätzliche Arbeitskraft gebunden, jedoch ist wohl schon jetzt festzustellen, dass diese organisatorischen Veränderungen positive Auswirkungen zeitigen. Wir hoffen, zusammen mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei der Staatsanwaltschaft, dass der überobligationsmäßige Arbeitseinsatz bei der Planung und Durchführung der Neuorganisation und Umstrukturierung letztes Endes zur Arbeitserleichterung und zu vermehrter Effizienz führen wird.

Der Hamburgische Richterverein hat sich aber auch im Laufe dieses Jahres dank der vielfältigen Anregungen aus den Kreisen des Vorstandes und der Mitglieder auf nicht - juristischem Parkett getummelt.

Hervorzuheben ist zunächst das

Sommerfest,

das am 1. September 2000 in der Grundbuchhalle stattfand und von engagierten jungen Kolleginnen und Kollegen beim Landgericht hervorragend organisiert worden war. Die rege Teilnahme und die ausgelassene Stimmung waren ein Beweis dafür, dass es für die Kolleginnen und Kollegen auch noch ein Leben jenseits von Bauprozessen und Aktenstudium gibt. Zum Abschluss waren sich alle einig: Es muss eine Wiederholung im Jahr 2001 geben.

Hinweisen möchte ich auch darauf, dass im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Kultur und Justiz" in Zusammenarbeit mit dem Verein der Freunde der Grundbuchhalle vielfältige interessante Veranstaltungen angeboten wurden, die leider nicht immer das verdiente Interesse unserer Kolleginnen und Kollegen fanden. Ich möchte deshalb nochmals nachdrücklich auf diese Veranstaltungen hinweisen, die jeweils rechtzeitig durch Plakate und Handzettel angekündigt werden. Machen Sie von der Möglichkeit Gebrauch, sich mit neuen Kunstrichtungen, interessanten Werken der Literatur oder mit eindringlichen fotografischen Arbeiten vertraut zu machen. Die Grundbuchhalle ist nicht nur ein hervorragender Ausstellungsort, sondern auch eine ideale Begegnungsstätte für interessante Gespräche mit Künstlern und sonstigen interessierten Gästen.

Das jährliche Treffen der "Ruheständler" fand am 21. November 2000 statt. Leitender Oberstaatsanwalt Martin Köhnke sprach - ihm sei dafür ganz besonders gedankt - über die Neuorganisation der Staatsanwaltschaft und über aktuelle Probleme der Strafverfolgung.

In der Vorweihnachtszeit findet - auch dies ist bereits Tradition - zum Nikolaustag eine Filmvorführung statt, selbstverständlich bei Glühwein und Weihnachtsgebäck.

Zum Abschluss dieses kleinen Überblickes über die Arbeit des Hamburgischen Richtervereins im Jahr 2000 mit dem Ausblick auf Vorhaben, die wir im Jahr 2001 anpacken wollen, möchte ich zugleich im Namen des gesamten Vorstandes allen Kolleginnen und Kollegen einige besinnliche Stunden in der Vorweihnachtszeit - trotz der Aktenberge -, ein gesegnetes Weihnachtsfest und alles Gute für das Jahr 2001 wünschen.

Inga Schmidt-Syaßen (Vorsitzende)