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Dr. Hermann Langenbeck (1452-1517)

Vor 550 Jahren wurde Dr. Hermann Langenbeck geboren. "Ein ungemein geschickter, hartnäckiger Politiker, herbe, ohne persönlichen Charme, ein gewandter Unterhändler, der seine Stadt in gefahrvollen, zeitweise fast verzweifelten Zeitläuften über manche Klippe hinweggesteuert hat. Im Grunde ein Verächter der Menschen und des Geldes, obwohl er ohne beides nicht leben konnte, ein weitschauender Wirtschafts- und Geldpolitiker, ein Förderer der Künste, ein wirksamer Schriftsteller, vor allem aber eben ein großer Jurist".4

Biographische Skizzen über diesen Hamburger Juristen habe ich in den Mitteilungsblättern des Hamburgischen Richtervereins Nr. 5/83, 1/84 und 3/84 veröffentlicht. In jenen Tagen ohne Computer wurde ein solcher Beitrag noch auf der Reiseschreibmaschine gehackt und dann im Matrixverfahren in leichtem Blau vervielfältigt. Unrettbar, unscannbar! Angesichts des runden Datums der Wiederkehr des Geburtstages Langenbecks unternehme ich deswegen den Versuch, die faszinierende Lebensgeschichte dieses kraftvollen Hamburgers wieder lebendig zu machen.

Das Interesse an Langenbeck ergab sich seinerzeit aus der Zusammenstellung einer Ausstellung der Illustrationen des Hamburger Stadtrechtes von 1497 für die ersten Hamburger Justiztage im Juni 1983. Uns allen sind diese ebenso prächtigen wie anschaulichen Bilder vor Augen, besonders die schöne Hafendarstellung, die das Seerecht illustriert. Im Hintergrund macht sich gerade die Flotte zum Auslaufen bereit. Ein Priester segnet das erste Schiff, das zu seiner immer gefährlichen Fahrt aufbricht, von Hoffnungen und Erwartungen begleitet.

Die Kodifikation des Stadtrechtes von 1497 ist das Werk Dr. Hermann Langenbecks nach jahrzehntelangen Erfahrungen als Richter, in denen er das bisherige Stadtrecht mit Kommentaren versehen hatte. Er gab auch die Illustrationen in Auftrag und soll deren Gestaltung maßgeblich beeinflußt haben. Langenbecks Portrait führte 1983 auch unsere Galerie der Portraits Hamburger Juristen an. Das Original dieses Bildes befindet sich auf einem Altarflügel des Halepaghen-Altars der Petri-Kirche in Buxtehude. Langenbeck als Stifter ist auf einem Altarflügel in Gestalt des Hl. Hieronymus dargestellt:

"Wir sehen vor uns einen imponierenden stark-nackigen Fünfziger mit bartlosem Gesicht und ergrautem Haar, kräftigen Jochbeinen und Kiefern, harten klar gegliederten Gesichtsformen, knapper Oberlippe und vorgeschobener Unterlippe, großen, etwas starren, kurzsichtigen, dunklen Augen, von sehr selbstbewußter Haltung, energiegeladen, dem Temperament nach ein Choleriker: eine bedeutende, wenn auch nicht unbedingt sympathische Figur, einen Charakterkopf, den man nicht so leicht wieder vergißt!"5

Nicht vergessen, aber doch weitgehend unbekannt, ist Langenbeck heute - zu Unrecht. Dr. Hermann Langenbeck gestaltete als einer der großen hansischen Staatsmänner fast 40 Jahre lang das Leben unserer Stadt und der Hanse.

Seine Lebenszeit fällt in Jahre des Umbruchs. Während die in Italien bereits zur Blüte gelangte Frührenaissance auch in Deutschland langsam Fuß faßte, veränderten sich Lebensgefühl und Weltbild grundlegend. Als Langenbeck 17 Jahre alt war, fand Vasco da Gama den Seeweg nach Indien (1469), als das Stadtrecht 1497 erschien, hatte kurz vorher Kolumbus den Weg nach Westen gefunden. Neue Horizionte taten sich auf, nicht nur geographisch. Langenbecks Lebensweg zu begleiten, bietet Gelegenheit, diese Zeit ins Gedächtnis zurückzurufen und dabei die hamburgische Rechtsgeschichte zu streifen, über die eine zusammenhängende Geschichte immer noch fehlt.

Geboren wurde Hermann Langenbeck im Jahre 1452 - im selben Jahr wie Leonardo da Vinci - in Buxtehude. Er entstammt einer Familie von Gelehrten, Kaufleuten und Juristen. Die Langenbecks stellten im 15. Jahrhundert vier Bürgermeister der Stadt Buxtehude. So seßhaft dies klingt: Viele von ihnen waren auch Reisende in den lockenden Süden, wohin es auch Hermann Langenbeck ziehen sollte.

Auch der Vater Garlev Langenbeck II., war Bürgermeister in Buxtehude; Hermanns Mutter, eine geborene van Mere, stammte aus Hamburg. Ihre Vorfahren waren aus den Niederlanden eingewandert. Sie brachte vier Söhne und mindestens eine Tochter zur Welt. Der älteste Sohn, Garlev III., studierte Rechtswissenschaft in Leipzig und wurde später, wie sein Vater, Bürgermeister in Buxtehude. Jacob Langenbeck führte die Sehnsucht und der Wissensdurst nach Italien; er wirkte als Theologe in Perugia. Der Sohn Hans ging als Kaufmann und Flandernfahrer nach Hamburg. Hermann Langenbeck war das jüngste Kind. Die Mutter starb kurz nach seiner Geburt. Der Vater folgte ihr, als Hermann 13 Jahre alt war.

Die Langenbeck-Kinder wurden nun von der Tante Metteke Cawel, verwitwete Halepaghe betreut, deren Sohn Gerhard Halepaghe, der Schöpfer der gleichnamigen Stiftung in Buxtehude, wurde Hermanns Vormund. Er sorgte für eine gute Ausbildung, zunächst in der kleinen Lateinschule Buxtehudes. Schon bald aber wurde Hermann zu Hamburger Verwandten geschickt, um die dortige Domschule zu besuchen. Dies war nichts Ungewöhnliches für das Kind angesehener Bürger im weiten Hamburger Umland angesichts der bescheidenen Schulverhältnisse jener Zeit. Herrmann war darüber hinaus als jüngster Sohn für den geistlichen Stand bestimmt.

Das "Marianum", so lautete der Name der dem Dom St. Marien in Hamburg angegliederten Schule, wies schon im 15. Jahrhundert eine lange Tradition auf. Ansgar, der erste Erzbischof des nach der Gründungsurkunde Ludwigs des Frommen im Jahre 834 errichteten Erzbistums, gründete das Marianum als Schule zur Ausbildung der Missionare für den noch heidnischen Norden. Hier wurden die Grundlagen des mittelalterlichen Lateins, der seinerzeit in Kirche und Kanzleien lebendigen lingua franca Europas, gelehrt. Die Schüler hatten regelmäßig am Chordienst teilzunehmen und sich in liturgischen Gesängen zu üben.

Zu Hermann Langenbecks Freunden in der Schulzeit gehörte sein Schulkamerad Hartwich von Bülow, Sohn eines mecklenburgischen Ritters.

Langenbeck setzte seine Ausbildung im Marianum etwa bis zum 16. Lebensjahr fort. In diesem Alter vollzog sich der Übergang von der Schule zur Universität. Die "Hausuniversität" der Hamburger war Rostock, Hafen- und Handelsstadt wie Hamburg, Hansemitglied und im 15. Jahrhundert Teil des natürlichen Hinterlandes für die Hamburger Wirtschaft. Hier immatrikulierte sich auch Langenbeck gemeinsam mit seinem Freund Hartwich von Bülow zu Ostern 1467.

Die Universität Rostock bestand seit 1419. Sie war im Bereich Nordeuropas eine sehr frühe Gründung. Die ersten europäischen Universitäten entstanden in der Mitte des 12. Jahrhunderts in Bologna und Paris, 1167 in Oxford, 1222 in Padua und 1230 in Montpellier. Die führende Position im Bereich der Rechtswissenschaften nahm die Universität Bologna ein.

Wie üblich hatten sich die Studenten in Rostock einem Kollegium anzuschließen, dessen Mitglieder - Studenten wie Professoren - gemeinsam wohnten, aßen und Leibesübungen abhielten. In einem solchen Kreis muß man sich auch den 16jährigen Langenbeck und seinen Freund vorstellen.

Zum Magister, der seine Studien zu beaufsichtigen und zu leiten hatte, wählte sich Langenbeck einen Hamburger - Albert Krantz, Professor und Rektor der Universität Rostock, lübeckischer und hamburgischer Ratssyndikus und erster Geschichtsschreiber des ganzen europäischen Nordens.6

Langenbeck betrieb zu Beginn seiner Ausbildung das Grundstudium der sieben schönen, freien Künste: Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Mathematik, Logik, Physik, Metaphysik, Ethik, Politik, Astronomie. Dieses Programm diente zur Schaffung der Grundlagen für ein Fachstudium und kann etwa dem angelsächsischen College verglichen werden. Der Abschluß führte zum Magister. Mit seinem Fachstudium begann Langenbeck 1470. Er wählte zunächst die Theologie.

1473 wechselte Hermann Langenbeck die Universität und ließ sich am 19. August in Greifswald immatrikulieren. Die dortige Universität, 1456 durch die Bürger gegründet, litt in den ersten Jahren des 8. Jahrzehnts ihres Bestehens an einem existenzbedrohenden Studentenmangel. Vermutlich wandte sich die Universität in dieser Lage an Rostock, um Studenten und Professoren von dort zu gewinnen. Langenbeck folgte diesem Ruf - sozusagen zum Aufbau Ost. Daß dies nicht zuletzt geschah, weil er sich dadurch ein schnelleres Avancement versprach, ist nicht ganz abwegig und illustriert seinen Ehrgeiz, der für ihn zeitlebens eine treibende Kraft war.

In Greifswald begann Langenbeck auch das Studium der Rechtswissenschaften - für werdende Geistliche der sichere Weg zu höheren Würden. Römisches Recht und kanonisches Recht waren Gegenstand der Studien - heimisches Recht wurde an den Universitäten nicht gelehrt.

Am 23. August 1475 wurde Langenbek zum Bakkalar beider Rechte promoviert und durch das Kollegium der Doktoren in die ordentliche Professur für Bürgerliches Recht aufgenommen, d.h. er erhielt den Lehrstuhl für bürgerliches Recht. Nach der Pestepidemie im Jahre 1474, die den Bestand der Universität Greifswald erneut gefährdete und der Langenbeck durch eine kurzzeitige Rückkehr nach Hamburg entging, war es seine Tatkraft, die den Wiederaufbau ermöglichte. Dank seiner Verdienste wurde der Dreiundzwanzigjährige am 18. Oktober 1475 (Tag des Evangelisten Lukas) zum Rektor der Universität Greifswald gewählt. Dies waren außerordentliche Weihen für einen Mann in seinem Alter, der zudem nur die niedrigen Grade der Universität besessen hatte. Reincke7 meint dazu: "So wenig wir weitere Einzelheiten wissen, so zeigt doch die Gesamtheit dieser Nachrichten, daß Langenbeck ganz außergewöhnliche Beweise für seine wissenschaftliche wie für seine organisatorische Befähigung erbracht haben muß, wenn man ihm so Großes zutraute und anvertraute".

Sein Licht nicht unter den Scheffel stellend, schmückte er seine Eintragung als Rektor in die Matrikel mit einer farbigen Darstellung des Familienwappens, dem langen, silbernen Bach auf blauem Grund. Dies war bis dato so ganz und gar nicht Brauch.......Das Kennzeichen kehrt im Zusammenhang mit den Illustrationen des Stadtrechts wieder. Es erinnert an die Herkunft der Familie aus einem Mühldorf südlich von Harburg, das nach dem durchfließenden Bach "To deme Langenbeke" hieß.

Schon 1477 finden wir den erfolgreichen jungen Gelehrten in Rom. Der Zug nach Süden kann als eine Familientradition der Langenbecks bezeichnet werden. Der Vorfahre Ludolf Langenbeck hatte sich als erster aufgemacht, er starb als Magister und päpstlicher Notar in Rom. In Perugia wirkte bereits seit Jahren der schon genannte Bruder Hermann Langenbecks, Jakob, als Mitglied der theologischen Hochschule. Er hatte dort begonnen, mit Hilfe deutscher Handwerker die erste gedruckte Ausgabe des Corpus luris Civilis herauszugeben.

Für Hermann Langenbeck gab es aber auch einen praktischen Anlaß, nach Rom zu gehen: Er hatte sich inzwischen entschieden, den geistlichen Stand aufzugeben und das praktische öffentliche Leben zu wählen. Hierzu mußte er sich durch einen Dispens des Papstes von der Priesterlaufbahn freisprechen lassen.

Den in der Welt anerkannten Doktor beider Rechte erwarb man allein auf den berühmten Rechtsschulen in Padua oder Bologna und in der päpstlichen Universität von Perugia, der Heimat des berühmten Rechtslehrers Baldus.

Doch zunächst mußte in Rom der Dispens beschafft werden. Langenbeck fand hier seinen Freund aus Rostocker Tagen wieder. Hartwich von Bülow, hatte sich zusammen mit dem Bürgermeistersohn Hinrich Böger aus Höxter, der sich als frühhumanistischer Poet einen Namen machte, schon 1475 in Rom und Latium zu Studien und Vergnügungen zusammengefunden. Die gemeinsam verbrachte Zeit wird in Bögers Versen lebendig, die nicht nur das Charakterbild Langenbecks beschreiben, sondern auch eine farbige Beschreibung der gemeinsamen römischen Zeiten geben. Hierzu soll Reincke8 zu Wort kommen. Auch wenn er vieles der Phantasie des Lesers überläßt, so malt er doch ein anschauliches Bild - fußend auf den Versen Bögers und erhaltenen Briefen Langenbecks:

"Auch die studentische Fröhlichkeit kam in dem Kreise dieser jungen Deutschen zu ihrem vollen Rechte. Manche Bacchanalia hat der unermüdliche Böger besungen, und oft genug mag das gellende "Heuohe Bacche!" des Nachts durch die stillen Gassen Roms geklungen sein.

Vorallem aber berauschten sich unsere Niederdeutschen an der Größe der ewigen Stadt, die auch für sie noch das unumstrittene Haupt der Welt war, an dem soeben neu erstehenden Rom der Frührenaissance, noch mehr an den Resten der klassischen Zeit.....Überall packte sie angesichts der Ruinen ein sentimentalisch-romantisches Gefühl von der Vergänglichkeit der Dinge. Sie fühlten sich überwältigt von der Wucht und Weite der Antike, von der Enge und Dumpfheit der mittelalterlichen Kultur, in der sie aufgewachsen waren und die sie nicht völlig von sich abzustreifen vermochten.

An den Abenden sammelten sich die Freunde zu gemeinsamem Studium der Antike. Sie erwarben sich Handschriften und die Erstdrucke der lateinischen Klassiker. Nach Makronius, also an der Urquelle, wird lateinische Grammatik studiert, in lateinischer Übersetzung die Politik des Aristoteles durchgearbeitet. Da mochte auch mancherlei Nachdenken für den kommenden Staatsmann abfallen. Sie lasen und interpretierten den Livius und Cicero, Vergil, Catull und Ovid. Die vollendete Redekunst des Cicero, die zuerst den Italienern wieder aufgegangen war, tat es ihnen an."

Der Freundeskreis geriet in den Bann der italienischen Frührenaissance. Es ist die Zeit, in der man Werke von Ghiberti (Paradiestür am Florentiner Baptisterium), Donatello (Standbild des Gattamelata, Maria Magdalena) sehen konnte und in der Bilder von Bellini oder Botticelli (Der Frühling, 1478) entstanden.

Die Freunde nahmen Kontakte zu den italienischen Frühhumanisten auf. Dabei werden sie auch mit dem zu Anfang des Jahrhunderts von Guarino von Verona (1374-1460) formulierten Erziehungsideal vertraut geworden sein. Die Erziehung diene dazu, schreibt Guarino, die humane Substanz zu stärken und damit die gemeinsame, für städtisches Leben und weltliches Wirken notwendige Basis zu schaffen.

Dies traf genau die Bedürfnisse der sich gerade zu mächtigen Staatsgebilden wandelnden italienischen Stadtstaaten. Nur die Bedürfnisse der italienischen Städte? Guarino postuliert, der junge Mensch - ausgebildet zu einer Persönlichkeit - sei darauf vorzubereiten, sich neben seinem Beruf der öffentlichen Sache anzunehmen.

Diese Gedanken gehören zu dem Fundus, den Langenbeck in Italien anlegte. Solche Vorstellungen, aus Langenbecks Verständnis selbstverständlich nur auf eine herrschende Schicht bezogen, sind der Keim für das Heranwachsen eines selbstbewußten, Verantwortung für das Gemeinwesen tragenden Bürgertums. Nach Deutschland transferiert von Menschen wie Langenbeck, führten sie zum Erstarken des Bürgertums und der Entwicklung blühender Städte.

Langenbeck gewann in Rom durch die Vermittlung ansässiger Landsleute Einblicke in die hochentwickelte Praxis der päpstlichen Verwaltung und der dortigen Gerichte. Auch diese Erfahrungen wird er später gut zu nutzen wissen - für Hamburg und für die Hanse. Prägende Eindrücke waren dies für den künftigen Staatsmann!

In welchem Kontrast standen diese Eindrücke zur Enge der noch im mittelalterlichen Weltgefühl verhafteten Heimat! Gleichwohl waren die Freunde, wie Bögers Verse erkennen lassen, nicht in der Lage und nicht willens, sich von ihren nordeuropäischen Wurzeln zu lösen. Dies gilt besonders für Langenbeck, der zwar seine Freude daran fand, die antiken Schriftsteller zu lesen, mit den Freunden die Werke des Aristoteles zu diskutieren und ihnen meisterhaft Vergil zu rezitieren, der sich aber immer reserviert zeigte, wenn er eine allzu heidnische Hingegebenheit an die Freuden der Welt wahrnahm. 1463 hatte Bernt Notke das Bild des Totentanzes für die Lübecker Marienkirche gemalt, dem später Kopien für andere Ostseestädte folgten. Dieses im Kriege zerstörte Bild und seine Geschichte geben viel wieder von Langenbecks Lebensgefühl und seiner Schwere, die er auch im heiteren Renaissanceitalien nicht ablegte. Das Erlebte wurde Bildungsgut, das ihm lebenslang unverloren blieb, es machte ihn empfänglich für das Schöne, für die Kunst, für die Weite der Welt, aber es sollte sofort an die zweite Stelle rücken, sobald er in seine Heimat zurückkehrte.

Langenbeck gab sich auch in Italien nicht allein dem Zeitvertreib hin. Er erwarb an der päpstlichen Universität Perugia den erstrebten und damals seltenen Doktortitel beider Rechte. Es gelangt ihm auch, den gewünschten päpstlichen Dispens zu erlangen. Sein Entschluß, dem Bruder bei der Edition des Corpus luris Civilis zu unterstützen, kam für diesen allerdings zu spät. Als er in Perugia ankam, fand er seinen Bruder nicht mehr am Leben. Das Druckwerk stagnierte, es mußten gerichtliche Auseinandersetzungen mit Beteiligten geführt werden.

Gleichwohl, der Bruder hatte eine beachtliche Leistung vollbracht. Welche Erleichterung der Arbeit auch für den Juristen eine höhere verfügbare Auflage dieses Handwerkszeuges darstellte, läßt sich denken. Bis dahin wurde die Werke abgeschrieben, nach Diktat gleichzeitig von mehreren Schreibern. Später schnitt man ganze Seiten in Holz und druckte die Platten, die ganze Seiten enthielten. Etwa um 1450 entwickelte in Mainz Gutenberg die Technik des Drucks mit beweglichen Lettern. Deutsche Handwerker - nun Buchdrucker - brachten die Kunst nach Italien. Jakob Langenbeck erkannte sofort die Möglichkeiten, die es barg, mehr und erschwinglichere Bücher für den juristischen Gebrauch herzustellen. Hermann Langenbeck schätzte solche Neuerungen ebenfalls. Ordnende und innovative Arbeit unter Wahrung der inhaltlichen Traditionen war seine Sache durchaus. Er suchte das Alte zu bewahren, soweit es sich bewährt hatte und für die Zukunft als brauchbar erkannt wurde. Abgelebtes auszusondern, fiel ihm dann nicht schwer. Neue Möglichkeiten und Notwendigkeiten erkannte er vor anderen und setzte sie um, wenn sie sich in diesen grundsätzlichen Bahnen hielten. Dies wird sich in seiner weiteren Tätigkeit immer wieder deutlich zeigen, insbesondere in seinen rechtswissenschaftlichen Arbeiten und in seiner diplomatischen Tätigkeit für die Hanse.

1478 verließ Langenbeck Italien. Der Ausbruch der Pest veranlaßte ihn, dies in großer Eile zu tun. Es gab einen weiteren Grund. Langenbeck hatte die Anfrage des hamburgischen Rats erhalten, ob er bereit sei, sich im Frühjahr 1479 zur Wahl als Ratsherr zu stellen. Ein sensationelles Angebot! Der ehrwürdige Hamburger Rat bat einen gerade 26-jährigen Nichthamburger, dazu noch einen Rechtsgelehrten aus Italien, in seine Reihen. Wenn dies auch in Hamburg selbst auf gewisse Bedenken gestoßen sein mag, so teilte Langenbecks Freund Böger sie nicht. Er dichtete:

Sicut clarus Lucifer orbem
Is faciet radiare senatum!9

Am Petritag 1479 wurde Dr. Hermann Langenbeck zum Ratsherrn der Freien und Hansestadt Hamburg gewählt. Doch darüber im nächsten Heft.

Karin Wiedemann



4)   Heinrich Reincke in: Forschungen und Skizzen zur Hamburgischen Geschichte, Hamburg, 1951, Dr. Hermann Langenbeck aus Buxtehude,
5)  Reincke, Skizzen S. 242
6)   Loose, Hamburg, Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner, Band 1, 1982, Seite 207.
7)   Skizzen, Seite 252
8)   Reincke, Skizzen, Seite 256
9)   wie der helle Lichtbringer die Welt, so wird er den Senat zum Leuchten bringen!