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Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

wieder liegt ein prall gefülltes Heft vor Ihnen. Die Mehrzahl der Beiträge spiegelt diesmal die stürmische Entwicklung der Hamburger Justiz wider: Neue Stadtteilgerichte bereichern die Hamburger Gerichtslandschaft, neue Techniken etablieren sich und natürlich verändert sich das Bewußtsein der Richter und Staatsanwälte, wie Kai Breuers Beitrag über das Miteinander am Amtsgericht Barmbek beschreibt. Dies alles ist so selbstverständlich wie unvermeidlich und doch gilt es, daran zu erinnern, daß die im Verfassungsrang stehende Tätigkeit der Justiz sich deutlich von den Aktivitäten einer Dienstleistungsgesellschaft unterscheidet.

Gerade hinter uns gebracht haben wir den diesjährigen Tag der Frau, der wie der Tag des Baumes, des Trinkwassers oder des Sparens an Nischenthemen zu erinnern scheint, und man fragt sich, ob das Interesse die Fest reden überleben wird. Der ArtikelWer schlägt, muß gehen“ zeigt, daß noch viel Arbeit zu leisten ist, um die gesellschaftliche Situation der Frauen auch in unserem vermeintlich hochzivilisierten Land ins Gleichgewicht zu bringen. Justiz hat gerade in diesem Thema eine große Verantwortung, wie übrigens auch der Gesetzgeber, der es Opfern von Gewalt endlich erleichtern muß, zur Strafverfolgung der Täter ohne erneute eigene Demütigung beizutragen. Frau Said jedenfalls sei gedankt für ihren Beitrag zum Thema „Gewalt gegen Frauen“.

Für alle Leserinnen ein Buchtipp (Männern kann die Lektüre nicht empfohlen werden): „Anna Dünnebier, Ursula Scheu: Die Rebellion ist eine Frau/ Anita Augspurg und Lida G. Heymann, Das schillerndste Paar der Frauenbewegung. Vorwort von Alice Schwarzer, Heinrich Hugendubel Verlag, München 2002, eine fesselnde Biographie der Frauenrechtlerin Anita Augspurg und ihrer nicht minder politischen Hamburger Lebensgefährtin Lida Hey-mann. Vor mehr als 100 Jahren studierte Anita Augspurg (1857-1943), in Zürich Rechtswissenschaft und kam zurück nach Deutschland, das ihr diese Ausbildung verwehrt hatte, als erste promovierte Juristin. Zusammen mit ihrer Lebensgefährtin Lida Gustava Heymann (1868-1943) gründete sie in Hamburg einen "Frauenstimmrechtsverein", um für das Frauenwahlrecht zu kämpfen, das erst 1918 für die Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung in Weimar im Januar 1919 beschlossen wurde. Solche Aktivitäten waren keine ungefährliche Angelegenheit, war es Frauen doch verboten, Mitglied in politischen Vereinen zu sein! (Mancher wünschte sich noch so ein Gesetz!) Zahlreiche Eingaben richtete Anita Augspurg ohne Mandat an den Reichstag, um im entstehenden Bürgerlichen Gesetzbuch zumindest Minimalrechte der Frauen zu verankern vergeblich. Lange Zeit waren beide Frauen, die von Nazideutschland ins Schweizer Exil getrieben wurden, vergessen. Die Frauenbewegung der 60ziger Jahre erfand sozusagen das Rad neu in Unkenntnis der Schriften beider, wie Alice Schwarzer in ihrem Vorwort schreibt. Kurzum: Sie finden lesenswerte weibliche Geschichte und unterhaltsame Geschichten um die beiden lebensfrohen Damen.

Froh geht es in der Justiz eher selten zu festlich schon gelegentlich. So lud der Präses der Handelskammer die Vorsitzenden der KfH und vor allem ihre ehrenamtlichen Richter zu einem festlichen Abend mit Senator Dr. Roger Kusch als „Dinnerspeaker“. Dieser würdigte, ebenso wie die anderen Redner die Bedeutung der KfH für den Wirtschaftsstandort Hamburg. Und so dürfen wir hoffen, daß die in diesem Jahr frei werdenden Vorsitzendenstellen zügig wieder besetzt werden auch wenn Äußerungen Verantwortlicher aus der Justizbehörde, wie man dem Beitrag Michael Bertrams „Vorrang für die Justiz“ entnehmen kann, doch nahelegen, weiterhin ein gesundes Mißtrauen walten zu lassen ...

Denjenigen, denen die Sparmaßnahmen noch Zeit zum Lesen lassen, wünsche ich eine angenehme Lektüre unseres dickleibigen Heftes und schöne Frühlingstage. Vielleicht überkommt Sie auch eine besondere Art der Lebensfreude und Sie schreiben einen Beitrag oder auch nur ein Leserbriefchen für das nächste Heft. Bis dahin:

Ihre Karin Wiedemann