(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 2/04, 1) < home RiV >

Editorial

 

Liebe Kollegen,

das neue Heft der Mitteilungen des Hamburgischen Richtervereins liegt vor Ihnen – wieder ist es randvoll mit Beiträgen, die Grundsätzliches ebenso wie Ärgernisse und erfreuliche Ereignisse beschreiben und kommentieren. Für die Artikel dankt die Redaktion den Autoren herzlich.

Mit Interesse habe ich den Beitrag unserer Vorsitzenden, Dr. Inga Schmidt-Syaßen, zur Rolle der Frauen in Recht und Justiz gelesen, in dem sie auch die eigenen Erfahrungen nicht ausklammert und klar Stellung bezieht. Der jeweilige Standpunkt wird von den eigenen Erlebnissen geprägt. Aus diesen heraus kann ich die Auffassung nicht teilen, die Entwicklung, dass bei Stellenausschreibungen der Zusatz enthalten ist, „Bei gleicher Qualifikation werden Frauen bevorzugt“, sei problematisch und lasse sich mit „Artenschutzgesetzen“ vergleichen. Die rechtliche Gleichstellung von Frauen hat leider immer noch nicht vollen Umfangs die tatsächliche bewirken können. Hierfür gibt es einen Strauß von Gründen, wozu die von männlichen Lebensentwürfen geprägten Qualitätskriterien ebenso gehören wie fehlender Sinn für Netzwerke unter den Frauen. Nicht ohne Not hat der Gesetzgeber es 1994 für erforderlich gehalten, Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 GG einzufügen. Wer die Betrachtung des Themas „Frauen und Recht“ vertiefen möchte, sei auf das Buch Ute Gerhards „Frauen in der Geschichte des Rechts“ verwiesen (C.H. Beck, 1997), das auf stattlichen 960 Seiten die Entwicklung von Recht und Geschichte unterhaltsam verwebt.

Während manche Menschen von Freizeitbeschäftigungen träumen, haben überarbeitete Hamburger Richter, von denen nach neuesten Berichten nun auch noch 20 eingespart werden sollen, ganz andere Wunschvorstellungen: Einmal in Ruhe an einem Fall arbeiten! So spannend die Lösung juristischer Aufgaben ist, so wenig zielführend ist sie oft in den heiligen Hallen des Ziviljustizgebäudes zu gestalten. Ich will nicht wieder von der Unmöglichkeit sprechen, in unserer Bücheraufbewahrungsstelle (offiziell: Bibliothek) einen klaren Gedanken zu fassen, wenn Laptops piepen, vor dem Fenster unsere Zukunft fröhlich Tauziehen spielt, die Eisbahnlautsprecher ihre bekannten Weisen dudeln (Alle ¾-Stunde „Auf Wiedersehen“) oder das Kindertheater Räuber Hotzenplotz mit Kanonendonner eröffnet. Nein, ich will auch nicht erwähnen, dass auf dem Heiligengeistfeld schon morgens die abendliche Band probt oder die Domeröffnung freudig mit Böllerschüssen begangen wird und die Achterbahn kreischt, es auf der Kreuzung mal wieder kracht, Polizei und Feuerwehr im Einsatz vorüber rasen, Menschen in ebenso angeregter wie lauter Unterhaltung zur Kantine streben, die Handwerker bohren und hämmern, dass man sich beim Zahnarzt wähnt, im schallenden Innenhof die Kreissäge Bäumen die finale Pflege angedeihen lässt (wegen der Termiten, die sich allerdings glücklicherweise nur leise bemerkbar machen), Motorrasenmäher und Motorsense in Aktion treten, – nein es gibt etwas Neues: Den Laubsauger/-puster! Mit ohrenbetäubendem Lärm, der es unmöglich macht, ein Telefonat zu führen, umkreist ein Mann mit dieser dröhnenden Maschine die tristen Rasenstücke des Innenhofes des Ziviljustizgebäudeanbaus – immerhin aus der Zeichenfeder Fritz Schumachers stammend. Nun wird sich der Leser fragen, was macht man im Juni in einem baum- und strauchlosen Innenhof mit einem Laubsauger? Die landgerichtliche Verwaltung, nie um eine Antwort verlegen, weiß – wenn nicht Rat, so doch – Auskunft: Grasreste vom Rasenmähen aufsaugen. Das verblüfft: Auch Sie werden schon manches Rasenstück gemäht haben. Wie konnten Sie nur glauben, man könne das Restgras ohne Laubsauger bewältigen? Sozusagen fast lautlos. Und man kann offenbar daran nichts ändern, sagt die Verwaltung. Ich bin sehr gespannt, welche kreativen Einfälle zur Vermehrung nicht der Gedanken, sondern der Lärmquellen uns künftig noch die Arbeit versüßen werden ……………..

Wenn Sie zu Hause die rechte Muße haben, nicht nur in Ruhe ihre Urteile zu diktieren, sondern auch das neue MHR-Heft zu lesen, freut sich die Redaktion und wünscht Ihnen laubsaugerfreie stille Sommerabende mit anregenden Gesprächen an Stelle des immer penetranter werdenden Hörmülls unserer Zeit.

 

Ihre
Karin Wiedemann