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Nicht ohne Sorgen

Mitgliederversammlung des

Hamburgischen Richtervereins am 3.2.2005

 

Nach der Ansprache des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts zur Selbstverwaltung der Justiz im Vorjahr, konnte man gespannt auf die Präsentation der anstehenden Justizreformen durch die Bundesministerin für Justiz, Frau Zypries, in diesem Jahr sein. Sie öffnete ihr Füllhorn zum Thema: „Rechtspolitik 2005 - Reformen für eine moderne Gesellschaft“ und konfrontierte die Anwesenden mit nahezu allen Facetten beabsichtigter Neuerungen, sodass es nur möglich ist, aus höchst subjektiver Sicht auf wesentliche Punkte einzugehen. Ihr Hinweis auf die seit der Kanzlerschaft Helmut Schmidts schier ewig währende Diskussion um die Vereinheitlichung der Gerichtsbarkeiten und der unterschiedlichen Verfahrensordnungen, lässt hoffen, dass die „Große Justizreform“ langsamer kommt, als manche befürchten. Hoffen, weil insbesondere in Hamburg angesichts der effektiven und hochwertigen Arbeit der bestehenden Gerichte kaum ein Bedürfnis besteht, Gerichtszweige zusammenzulegen. Trotz aller Auseinandersetzungen in der Vergangenheit kann der Hamburgische Richterverein dem anwesenden Justizsenator Dr. Kusch nur beipflichten: „Die Hamburger Gerichte sind optimal organisiert!“ Ihre Qualität kann jedenfalls kaum durch eine Zusammenlegung verbessert werden. Unter dem Stichwort „Qualitätssicherung“ sprach die Ministerin die Möglichkeit an, Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten zu institutionalisieren. Sofern mangels gesetzlicher Verankerung dadurch die Unabhängigkeit nicht beeinträchtigt wird, fällt es leicht, dem zuzustimmen. Jedenfalls wäre endlich die leidige Kostentragungspflicht zulasten der Staatskasse geklärt. Über eine Vereinheitlichung der Verfahrensordnungen wird man ebenso reden können, wie über die erwogene funktionale Zweistufigkeit des Rechtswegs und eine Beschränkung der Rechtsmittel im Bußgeldverfahren, wenn die Besonderheiten der betroffenen Verfahren beachtet werden. Kontrovers diskutiert wurde in der anschließenden Aussprache insbesondere das „Anti-Diskriminierungsgesetz“ , das entgegen der Ansicht der Ministerin allgemein als ein „Arbeitsbeschaffungsgesetz“ für Anwälte verstanden wurde. Toleranz lasse sich vor Gericht nicht erstreiten. Gleichfalls kritisch gesehen wurde die beabsichtigte erweiterte Beteiligung der Verteidiger am Ermittlungsverfahren, weil die zur Begründung angeführten positiven Auswirkungen auf die Hauptverhandlung nicht zu erwarten seien. Vielmehr bestehe die Gefahr, den Erfolg der Ermittlungen zu verzögern und zu gefährden. Die Schaffung gesetzlicher Grundlagen, die der Erweiterung der Kommunikationskultur in der Verhandlung dienen, kann nur begrüßt werden. Gleiches gilt für Modellversuche, gerichtsnahe Mediation zu erproben. Über „deal“ und „genetischen Fingerabdruck“ hin zum anonymen Vaterschaftstest und dessen Strafbarkeit spannte sich der Bogen, um schließlich mit einem Ausblick auf die Reform des Unterhaltsrechts zu enden. Wenn nach den Worten der Ministerin Ausgangspunkt der Überlegungen ist, die Eigenverantwortlichkeit der Geschiedenen zu stärken, kann dieses Ziel umformuliert werden in eine Forderung für die Justiz, die hoffentlich kein Wunschtraum bleibt: Die Eigenverantwortung und Unabhängigkeit der Justiz sollte nicht durch übereilte Reformen gefährdet werden. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

 

Gerhard Schaberg