(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 1/95) < home RiV >
Günter Wittke U
Von Helmut Münzberg

Generalstaatsanwalt a.D. Günter Wittke ist am 8. Januar 1995 im 69. Lebensjahr an den Folgen eines Schlaganfalls verstorben. Mit einem eindrucksvollen Trauergottesdienst in der Neuapostolischen Kirche, deren Bischof er war, haben wir von ihm Abschied genommen.

Mit diesen Zeilen möchte ich alle, die Günter Wittke gekannt haben, um einen Augenblick des Gedenkens bitten und ebenso versuchen, denjenigen unter Ihnen, die das Glück der Begegnung mit ihm nicht gehabt haben, einen Eindruck von seiner Persönlichkeit zu vermitteln. Es gibt sicherlich manche unter uns, die hierzu berufener wären als ich. Als Legitimation für mich mag dienen, daß sich sein beruflicher Lebensweg und der meine mit einer geradezu auffälligen Häufigkeit gekreuzt haben. Immer wieder war es Herr Wittke, in dessen Dezernat ich als sein Nachfolger eingerückt bin, versehen mit allen seinen guten kollegialen Ratschlägen. Im Jahre 1983 bin ich ihm auch in der Nachfolge des Stellvertretenden Vorsitzenden des Hamburgischen Richtervereins gefolgt. Über viele Jahre hinweg ist er mein unmittelbarer Dienstvorgesetzter gewesen.

 
Günter Wittke, geboren am 10. Juni 1926 in (Hamburg-)Altona, gehörte einer Generation an, die, bevor sie ans Studieren denken konnte, zunächst in den Krieg ziehen mußte. Mit gerade eben 16 Jahren wurde er als Flakhelfer zur Luftwaffe eingezogen und ist dort verwundet worden. Nach der Rückkehr aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft mußte er an der Albrecht-Thaer-Oberschule zunächst das Abitur nachholen. Sodann schlug er sich über zwei Jahre im Betrieb seines Vaters, eines Schiffseigners, als Decksmann durch, weil er an der Hamburger Universität wegen des dort nach dem Kriege herrschenden großen Andranges zunächst nicht angekommen war.

Seine berufliche Laufbahn war glanzvoll. Nach dem Staatsexamen war er zunächst für kurze Zeit in einer der namhaftesten Hamburger Anwaltssozietäten als Anwaltsassessor tätig. Entsprechend seinem von vornherein gefaßten Berufswunsch wurde er sodann am 1. Dezember 1956 als sog. Hilfskraft des höheren Justizdienstes bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Hamburg übernommen, wo er ein Jahr später zum Gerichtsassessor und am 23. Juli 1959 zum Staatsanwalt auf Lebenszeit ernannt wurde. Aufgrund seiner bei der Bearbeitung eines Staatsschutzdezernates gezeigten guten Leistungen wurde er bereits im Jahre 1962 zur Behörde des Generalstaatsanwalts versetzt; dort wurde er vier Jahre später, mit 39 Lebensjahren, zum Oberstaatsanwalt befördert. Am 1. Juni 1968 wechselte er an die landgerichtliche Staatsanwaltschaft zurück und übernahm dort die neugegründete Hauptabteilung IV, welcher die Staatsschutzabteilung und die kurze Zeit zuvor geschaffenen drei NSG-Sonderabteilungen unterstanden. Am 1. Januar 1970 wurde er zum Ersten Oberstaatsanwalt befördert. Ab 1. Dezember 1977 war er dann wieder Mitgied der Behörde des Generalstaatsanwalts, übte dort als Leitender Oberstaatsanwalt die Funktion eines Referatsleiters aus und war u.a. für den Bereich der Standesgerichtsbarkeit der Rechtsanwälte und der steuerberatenden Berufe zuständig. Mit Wirkung vom 1. März 1980 wurde ihm die Leitung der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht, einer der größten der Bundesrepublik, übertragen. Dieser schwierigen Funktion mit den für eine Weltstadt besonderen Problemen widmete er sich fünf Jahre. Am 10. September 1985 wurde er Generalstaatsanwalt der Freien und Hansestadt Hamburg; dieses Amt hat er bis zu seiner Pensionierung im Juni 1991 ausgeübt.

Günter Wittke war eine unverwechselbare Persönlichkeit. Trotzdem (oder vielleicht deshalb) fällt es nicht leicht, ihn in wenigen Zügen zu beschreiben - Wittke war eben Wittke!

Wenn er das Zimmer betrat, dann füllte sich der Raum mit seiner guten Laune. Jeder fühlte sich von ihm persönlich angesprochen und mit seinen großen und kleinen Sorgen angenommen. Man kam gern zu ihm; G. Wittke konnte wirklich zuhören. Die Mitarbeiter wurden beachtet und anerkannt, das motivierte sie. War einmal Kritik an der "Truppe" nötig, dann äußerte er sie niemals verletzend, vielmehr in äußerster Zurückhaltung und damit umso wirksamer.

Eines der besonderen Merkmale Günter Wittkes war seine Bescheidenheit. Billige Effekthascherei hatte er nicht nötig. Er war ein echter Hanseat, das große Auftreten lag ihm nicht, und Eitelkeit war ihm fremd. Und so könnte ich stundenlang weiterberichten: Über die ruhige Gelassenheit, mit welcher er, immer gut "präpariert", seine Behörde führte, den Mitarbeitern mit Vertrauen begegnete und Schaden von ihnen fernhielt. Über das hohe Maß an Fachkompetenz, die ihm eigene blitzschnelle Problemaufnahme und seine Fähigkeit, rasch und emotionsfrei zu entscheiden. Über seine Bereitschaft, die hiermit verbundene Verantwortung zu übernehmen und den Mitarbeitern das Gefühl zu vermitteln, daß sie niemals allein gelassen waren. Über seine Geradlinigkeit und seinen unbestechlichen Gerechtigkeitssinn. Über die vielen Beweise seiner Fairneß, Toleranz und Kompromißfähigkeit. Und, überaus wichtig: Über die in ihm selbst angelegte Auffassung von Humanität, von der er sich bei der Auslegung und Anwendung der Gesetze leiten ließ.

Herr Wittke war, dies versteht sich nach allem von selbst, ein sehr beliebter Chef. Er besaß Mutterwitz und Schlagfertigkeit. Vor allem hatte er aber Sinn für Humor, mit dem er schwierige Situationen auch versöhnlich aufzulösen verstand. Und er wußte zu feiern und andere daran teilhaben zu lassen. Auf den Betriebsausflügen und Weihnachtsfeiern seiner Behörde übernahm er als Generalstaatsanwalt alle Kosten mit einer Generosität, daß es manchem von uns geradezu peinlich war. Argumente dagegen ließ er nicht aufkommen, war diese Großzügigkeit für ihn doch eine aus dem Herzen kommende schlichte Selbstverständlichkeit: Er wollte Freude bereiten und sich für die geleistete Arbeit bedanken.

Mein letztes Gespräch mit ihm hatte ich vor etwa einem Jahr. Er rief mich aus einem kurzen Krankenhausaufenthalt an und, dies war wieder typisch für ihn, "entschuldigte" sich dafür, daß er an meinem seinerzeitigen Vortrag vor den Pensionären des Richtervereins nicht teilnehmen konnte. Damals hatte ich mir vorgenommen, mich öfter einmal bei ihm zu melden. Leider ist es bei dieser Absicht geblieben. Jetzt traf uns die Nachricht von seinem plötzlichen, viel zu frühen Tode wie ein Schlag.

Was für uns Mitarbeiter der Staatsanwaltschaften bleibt, ist Dankbarkeit und Verpflichtung zugleich. Seiner Familie gilt unser Mitgefühl. Günter Wittke wird uns weiterhin Vorbild sein.

 

Zum Tode von
Generalstaatsanwalt a.D.
Günter Wittke,
von 1970 bis 1983 stellvertretender Vorsitzender des Hamburgischen Richtervereins
Von Roland Makowka

Der Arbeit des Hamburgischen Richtervereins war Herr Wittke während seines gesamten Berufslebens verbunden. Als Mitglied des Vorstands und stellvertretender Vorsitzender des Vereins genoß er bei den Staatsanwälten und Richtern hohes Ansehen. Nach meiner Wahl zum Vorsitzenden des Hamburgischen Richtervereins erlebte ich viele Jahre harmonischer Zusammenarbeit mit ihm, die geprägt waren durch seine souveräne Sachkunde, durch Fairneß und freundschaftliche Offenheit. Herr Wittke war stets bereit, für die von uns vertretene Sache entschieden und ohne Karriereängste einzutreten. Ich erinnere die Mitgliederversammlung des Hamburgischen Richtervereins vom 10.02.1982, in der sich Herr Wittke in einem Referat mit der ihm eigenen Redekunst vehement gegen die auch über die Justiz verhängten Sparmaßnahmen wandte (MHR 1/82). Die Ernsthaftigkeit und Überzeugungskraft seines Wortes hatte auch im politischen Raum Gewicht.

Gern denke ich an unsere gemeinsamen Fahrten zu den Vorstandssitzungen des Deutschen Richterbundes an verschiedenen Orten Deutschlands zurück. Ich glaube, wir genossen diese Reisen und empfanden sie als einen kleinen Lohn unserer oft mühevollen Vereinsarbeit. Herr Wittke - ein begeisterter Autofahrer - führte das Steuer und war für mich ein geistreicher Unterhalter, allen Fragen des Lebens aufgeschlossen. Ich lernte von ihm Probleme unserer Verbandsarbeit nicht so verbissen zu sehen, vieles mit Abstand und einem Lächeln hinzunehmen, ohne damit an Entschiedenheit in den wesentlichen Fragen zu verlieren. Wenn er alsdann in den damals oft durch hitzige Wortgefechte geprägten Bundesvorstandssitzungen in ruhiger und prägnanter Form seinen Standpunkt darlegte, herrschte im Auditorium respektvolle Ruhe. Und danach, beim abendlichen Wein oder Bier, war er ein von vielen gesuchter lebensfroher Unterhalter.

In der Mitgliederversammlung vom 02.03.1983 schied Herr Wittke auf eigenen Wunsch aus dem Vorstand aus, um einem Jüngeren - Helmut Münzberg - den Platz des stellvertretenden Vorsitzenden zu überlassen.

Der plötzliche Tod Günter Wittkes hat uns alle tief getroffen. Wir haben einen Kollegen verloren, der sich über einen langen Zeitraum hinweg neben seinem schweren beruflichen Amt in unserem Verein engagiert für die Sache der Justiz verwandt hat. Wir haben aber auch einen Kollegen verloren, der durch seine Bescheidenheit und tiefe Menschlichkeit uns allen ein Vorbild war. Nicht nur die Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft, auch wir Richter trauern um ihn. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie.

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Nachsatz zum Nachruf auf Wittke:

Wegen wiederholter entsprechender Rückfragen geben wir folgendes bekannt: Da die Familie Wittke gebeten hatte, von jeder Art privater Kranzspenden pp. abzusehen und, falls ein entsprechender Wunsch bestehen sollte, eine bestimmte soziale Aktion zu bedenken, teilen wir diese mit:

Stichwort "Rußlandhilfe Günter Wittke", per: Neuapostolische Kirche Hamburg, Postgiro HH 382 64 - 207, BLZ 200 100 20.