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Ironie und tiefere Bedeutung
- ein Briefwechsel -

Uwe Maeffert, Rechtsanwalt zu Hamburg, fühlte sich bewogen, unter dem 13.09. d.J. dem Vorsitzenden des 3. Strafsenats des HansOLG einen Brief zu schreiben, dessen Beantwortung nicht auf sich warten ließ. Was die Bundespost in diesem Falle hin- und herzutragen hatte, lautet so:

"Hoheit,

wie Sie wissen, habe ich bisher nie Klage geführt, wenn Sie mit Ihrem Senat mir Geld nahmen, das ich bereits verdient zu haben geglaubt hatte. Bei allem Respekt vor der Unkalkulierbarkeit des Senats hatte ich doch das eine oder andere Mal mit bestimmten finanziellen Zuwendungen gerechnet, weil Ihr Kostenbeamter einen entsprechenden Vorschlag gemacht hatte. Mehr hatte ich wirklich nie erwartet, was Sie bitte als Beweis meiner Bescheidenheit und Ehrerbietung betrachten mögen. Klaglos habe ich dann das eine und andere Mal hingenommen, daß Sie den vorgeschlagenen Betrag kürzten. Ich habe mich nicht einmal gerührt, als Sie mich mit einer Art Geldbuße dafür belegten, daß ich den Richter Dr. Rühle wegen eines verweigerten Kaffees aus der Teeküche als befangen abgelehnt hatte. Vielleicht hatten Sie recht, solche Verteidigung besonders zu schelten, auch wenn es mich kränkte, daß dem verweigerten Kaffee eine Verweigerung des § 99 BRAGebO folgte. Bei sechsundzwanzig Verhandlungstagen am Kapstadtring mit vielen Pausen, aber ohne Kantine! Ein Mißstand. Ihr Beschluß vom 04.09.1995, durch den ich wieder einmal Abzüge vom Vorschlag des Kostenbeamten zu erdulden habe, ist jedoch insofern ein Novum, als der Abzug einerseits ungewöhnlich geringfügig und im Gegensatz zu früheren Beschlüssen ohne Begründung ist. Mich irritiert, daß das eine geradezu kleinlich wirkt und das andere den Anschein einer Gnadenentscheidung hat. Beides verstehe ich nicht. Deshalb habe ich diesmal den Mut gefunden, meine still duldende Haltung aufzugeben und Sie um ein klärendes Wort zu bitten. Sie verzeihen mir mein bescheidenes Aufbegehren. Es geschieht nur, weil ich nicht verstehe.

Die Kostenprüfungsbeamtin hat eine Pauschvergütung i.H.v. DM 45.220,-- vorgeschlagen. Sie sprachen mir DM 42.900,-- zu und bezeichneten diesen Betrag als den "ca. 1,9fachen Satz der Regelgebühr". Warum aber "ca." und warum "1,9fach"? Erlauben Sie, daß auch ich, um das Problem zu präzisieren, eine Berechnung vornehme!

Sie kürzten den Honorarvorschlag um ca. 5 %. Das beantwortet aber nicht die Fragen: Warum kürzten Sie und warum ausgerechnet um ca. 5 %? So viel und so variationsreich ich auch rechne, ich komme nicht auf die Lösung. Ich habe nicht einmal das Gefühl, mich ihr anzunähern.

Hätten Sie den Vorschlag um ca. 5 % erhöht, hätte ich auch ohne Begründung einen Erklärungsansatz gehabt. Eine Erhöhung dieser Größenordnung hätte glauben machen können, der Senat habe sich entweder an die alljährlichen Tariferhöhungen für die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer angepaßt oder den Zeitablauf seit Antragstellung zu kompensieren gesucht oder beides. Immerhin stammt der Gebührenanspruch aus den Jahren 92 und 93. Die ca. 5 % hätten in dem einen wie dem anderen Fall gepaßt. Aber eine Kürzung? Wie soll man das verstehen?

Als praktische Zensur der Art der Verteidigung oder gar als Strafmaßnahe wie bei früherer Gelegenheit wäre eine solche Kürzung einfach zu gering, einfach kleinlich. Das kann es also nicht sein.

Darf ich Sie deshalb bitten, mir noch eine Begründung für den Umstand der Kürzung und eine Grundlage für das ca. 1,9 Fache zu geben! Ich möchte darin nicht Willkür sehen, nur weil mir bisher die Begründung fehlt, und außerdem gewinne ich durch nichts so sehr Maßstäbe wie durch Beschlüsse Ihres Senats, sofern sie begründet sind. Seit Ihrer damaligen § 99-Entscheidung habe ich keinen Richter mehr als befangen abgelehnt, der mir einen Kaffee verweigerte.

Untertänigst

Uwe Maeffert"

*

Unter dem 19. September folgt die Antwort:

"Sehr geehrter, lieber junger Freund,

nicht ohne innere Rührung und - offen gestanden - eine Prise von Stolz haben wir Ihr mutiges Schreiben vom 13. dieses Monats zur Kenntnis genommen; werden uns doch in ihm erstmalig der Respekt und die Anerkennung gezollt, die wir verdient zu haben glauben, und die auszusprechen es Ihren offenbar zaghaften Kollegen, wenngleich hanseatische Rechtsanwälte wie Sie, noch immer gebricht.

Nur eine über die Jahrzehnte gewachsene, abgründig tiefe Achtung zwischen 2 Organen der Rechtspflege, wie wir sie nimmermüde darzustellen versuchen, läßt einen derartigen verständnisvollen Umgang miteinander zu.

Der Hinweis auf Vergangenes in Ihrem zwar ungebetenen aber gleichwohl willkommmenen Eingesandten hat auch bei uns so manche Erinnerungen freigesetzt. So erinnern wir uns insbesondere an den Beginn unserer Freundschaft, der etwa in die 70er Jahre dieses Jahrhunderts fallen müßte, in eine Zeit, in der wir als jüngere Amtsrichter, dem durchaus nicht in die Wiege gelegt worden war, dermaleinst an der Pauschgebührenrechtsprechung des Hans. OLG mitwirken zu dürfen, ein lustiges Demonstrationsverfahren verhandeln konnten; ein Verfahren, in dem Sie uns als Zuschauer vor Eintritt in die Beratung ermunternd zuriefen: "Wir erwarten einen Freispruch". In völliger Verkennung Ihrer sicher so löblichen Absichten haben wir Ihnen damals - vielleicht auch noch eine Spur zu barsch - zugerufen: "Und ich erwarte, daß Sie den Mund halten, sonst verhänge ich ein Ordnungsgeld." Darauf Sie: "Unerhört, ich bin Rechtsanwalt!" Und dann wir: "Dann gibt es Ordnungshaft."

Schon diese unbedeutende Begebenheit zeigte jedem Sehenden deutlich: Hier wachsen zwei Vertreter des Rechts heran, die einander viel zu sagen haben könnten.

In Anknüpfung an die so begründete und von Ihnen zu Recht gepriesene gegenseitige Unkalkulierbarkeit laden wir Sie hiermit herzlich zu einer Tasse schwarzen (Staatsschutzsenat) Kaffees ein. Wir hoffen damit einerseits, die betrübliche Wunde schließen zu können, die seinerzeit das schnöde Verhalten des Kollegen Dr. Rühle bei Ihnen gerissen hat, andererseits auch, Ihnen eine wohlfeile Gelegenheit zu verschaffen, tieferen Einblick in die auch in der größer gewordenen Bundesrepublik allein dastehenden Pauschgebührenrechtsprechung des Senats zu nehmen.

Sollte Ihnen Ihre in Hamburg bereits sprichwörtliche Bescheidenheit und Zurückhaltung die Annahme des senatlichen Kaffees schwermachen, so könnten wir Ihnen zweierlei anbieten:

1. Eine Beschränkung des Gesprächs auf 5 % der täglichen Arbeitszeit unserer Wenigkeit, höchstens jedoch den Zeitaufwand einer Halse beim täglichen Gebühren-Surfing eines Strafverteidigers und

2. einen Abschlag von ca. 0,0037 % von der nächsten Pauschvergütung, so sich der Senat Ihnen gegenüber erneut zu einer solchen verstehen sollte.

Mit einem freundlichen: vergelt's Gott!

Ihr Albrecht Mentz"