(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 4/95) < home RiV >
Eine Berliner Stimme

Frau Jenckel geb. Jark, früher Richterin am Amtsgericht, dürfte vielen von uns auch daher bekannt sein, daß sie im Vorstand eine Zeitlang "die Jugend" vertreten hat. Sie schreibt:

"Lieber Herr Dr. Makowka,

über Ihren herzlichen Brief habe ich mich sehr gefreut - Ihre Vermutungen hinsichtlich meines neuen "Standes" treffen zu, anbei eine kleine Illustration ... (scil.: glückliche Braut in Weiß auf "seinen" Armen: leider hier nicht reproduzierbar).

Das Leben im Hamburgischen Richterverein ist offensichtlich von bunterer und wesentlich jüngerer Qualität als in Berlin. Und ich bin davon überzeugt, daß dies nicht zuletzt an der Person des Vorsitzenden liegt. Ich kann mir gut vorstellen, daß man Sie in Hamburg so lange wie nur möglich festhält.

Zwar ist der Vorstand in Berlin bei den letzten Wahlen im wesentlichen neu und jünger besetzt worden, doch das Durchschnittsalter der Mitgliedschaft liegt deutlich über dem der Kollegen und Kolleginnen insgesamt. Um das zu ändern, haben wir auch hier begonnen, einen Assessorenstammtisch ins Leben zu rufen und durch vielfache Veranstaltungen uns in den Blick zu rücken. Ich habe im übrigen "das Hamburger Modell" der Assessorenseminare aufgegriffen, mittlerweile auch ein Konzept von Frau Düsterbeck bekommen, und wir werden alles daran setzen, trotz knapper Kassen auch in Berlin eine Unterstützung der Senatsverwaltung für Justiz zu erlangen. Nach der Übernahme der Gerichtsbarkeit für den Ostteil der Stadt wurden in Berlin - anders als in den anderen Neuen Ländern - alle Ostrichter zunächst in den Wartestand versetzt und im Ergebnis nur 15 % übernommen. Daher mußten und müssen enorm viele Neueinstellungen vorgenommen werden, so daß der Anteil an Assessorinnen und Assessoren bei Gericht und in der Staatsanwaltschaft enorm hoch ist. Ich hoffe daher, daß wir mit solchen Assessorenseminaren "in die richtige Kerbe" hauen.

Ihre Anregung, über die Berliner Erfahrungen einen Bericht für das Mitteilungsblatt zu verfassen, nehme ich sehr gern auf. Da gerade ein Beitrag in der NJW über den Zustand der Berliner Justiz fünf Jahre nach der Wende erschienen ist (NJW 95, 2673), habe ich mich für einen sehr persönlichen Artikel entschieden. Vielleicht trifft er auf Wohlwollen in der Redaktion.

Mit herzlichem Gruß und guten Wünschen für die Adventszeit

Anke Jenckel"