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Täglicher Vandalismus

Viele von uns pilgern - wie ich - mit Hilfe öffentlicher Verkehrsmittel zur täglichen Arbeit; das ist nützlich, praktisch und ökologisch; aber die Freude erfährt zunehmende Trübung, wie jeder weiß. Über eine neue Variante des Verdrusses habe ich einen kleinen Briefwechsel geführt:

An den Hamburger Verkehrsverbund

26. März 1997

Betr.: S-Bahn-Wagen

Sehr geehrteDamen und Herren,

seit geraumer Zeit fällt mir zu meinem wachsender Ärger und Mißmut auf, daß der HVV die Gepäck-"Netze" (= Halterungen) in seinen S-Bahnwagen abbaut, jedenfalls auf der Bergedorfer Strecke. Nur dort, wo die Löschkästen angebracht sind, bleiben dann kleine Stummel erhalten. Das wirkt sich zumal dann als höchst lästig aus, wenn die Wagen mit Passagieren gefüllt sind (z.B. in den Stoßzeiten) und die Fahrgäste schwere Aktentaschen oder weitere Gepäckstücke mit sich führen. Sind alle Plätze besetzt, kann man all’ das auch nicht mehr neben sich ablegen, sondern muß es auf dem Schoß balancieren (was z.B. überdies das Zeitunglesen erschwert oder verhindert). Alles in allem eine allein dem unverständlichen Abbau der Gepäcknetze geschuldete überflüssige und ärgerliche Verschlechterung öffentlicher Verkehrsmittel, deren Benutzung doch - mit vollem Recht! - sonst werbend empfohlen wird.

Ich bin neuerlich dazu übergegangen, die 1. Klasse zu benutzen, wenn ich in der 2. genötigt wäre, das Gepäck auf meinem Knie zu befördern. Leider ist noch kein Kontrolleur darübergekommen, dem ich - in Ermangelung der eigentlich Verantwortlichen - im Falle einer Beanstandung den Kopf gehörig gewaschen hätte.

Ich möchte Sie bitten, vom genannten Übelstand gebührend Kenntnis zu nehmen und unverzüglich dafür zu sorgen, daß er abgestellt, auch: daß nicht noch mehr dergleichen Unheil (noch gibt es vollständig ausgestattete Züge!) angerichtet wird.

Einer Antwort sehe ich mit Interesse entgegen und bin mit freundlichen Grüßen

Ihr Günter Bertram

 

Die Antwort vom 15.04.97 lautet:

Gepäckablagen

Sehr geehrter Herr Bertram,

wir danken Ihnen für Ihr Schreiben.

Zu der von Ihnen geschilderten Problematik möchten wir Ihnen mitteilen, daß unsere Züge in den letzten Jahren von einem deutlichen Anstieg der Vandalismusaktivitäten, vorrangig eingetretene Scheiben, betroffen waren. Die verstärkte Präsenz unseres privaten Sicherheits- und Ordnungsdienstes konnte diese negative Entwicklung nicht verhindern, so daß wir uns gezwungen sahen, auf andere Präventivmaßnahmen zu setzen. Hierzu gehört u.a. der Abbau der Gepäckablagen in der 1. und 2. Wagenklasse auf allen S-Bahnlinien ab 01.10.1996. Nach unseren Beobachtungen wurden nämlich die Gepäckablagen von zerstörungswütigen Zeitgenossen mißbräuchlich dafür benutzt, sich daran anzuhängen, um die Scheiben einzutreten.

Wir wollen Ihnen nicht verschweigen, daß diese Maßnahme auch von anderen Kunden kritisch gesehen wird. Selbstverständlich nehmen wir diese Kritik ernst. Wir lassen zur Zeit überprüfen, in welchem Umfang das Heraustreten von Scheiben in den Sitzgruppen bei den Fahrzeugen ohne Gepäckablagen zurückgegangen ist. Danach können wir unseren Kunden mit konkreten Zahlen belegen, in welchem Maße wir durch diese Maßnahme dem vandalistischen Tun einer kleinen Minderheit Einhalt bieten konnten.

Mit freundlichen Grüßen

S-Bahn Hamburg GmbH