(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 1/99) < home RiV >
Joachim Metzinger:

Sehr geehrter Herr Präsident Röder, sehr verehrte Frau Senatorin, lieber Herr Rapp, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrte Gäste, liebe Freunde,

es ist schön, in diesem wunderbaren Raum Abschied vom Amt zu feiern. Hier bin ich dreizehn Jahre lang Hausherr gewesen, und das bin ich sehr gern gewesen. Die Architektur dieses Raumes, die wir dem in dieser Stadt unvergessenen Fritz Schumacher verdanken, ist wie ein Stück Musik. Es ist tröstlich für mich zu wissen, daß ich heute wohl mein Amt verlasse, aber in diesen Raum immer wieder zurückkehren werde. Hier werde ich mich wie in den vergangenen Jahren des Donnerstags mit meinem Cello unter dem Arm zu den Proben unseres Juristenorchesters einfinden, diese Halle wird auch künftig für mich die Stätte vieler Begegnungen mit Menschen der Justiz sein, und durch diese Halle führt der Weg zu unserem Kindergarten, der das Herz eines alten Mannes freut wie weniges, was er am Sievekingplatz schaffen konnte. Gegen eine Welt von Widerständen und Bedenkenträgern haben wir diesem Kindergarten mitten im Gericht zum Leben verholfen. Wenn nichts mehr an den alten Amtsgerichtspräsidenten erinnert, so werden es doch immer noch die Kinder sein, die hier täglich ein- und ausgehen. Ein schöner Gedanke, und einer, der auch uns, verehrte Frau Senatorin, verbindet. Denn Ihnen kommt unbestreitbar das Verdienst zu, uns auf der politischen Bühne die Wege für die Einrichtung dieses Kindergartens geebnet zu haben.

Ich danke Ihnen, sehr verehrte Frau Senatorin, und Ihnen, Herr Rapp, für die freundlichen Worte, die Sie hier für mich gefunden haben. Wir alle haben Sie so oft erlebt, die Situation, wenn einer seinen Abschied nimmt, und wir nach den richtigen Worten suchen, um dem Ausdruck zu verleihen, was wir eigentlich sagen wollen. Mir ist das als Präsident des Amtsgerichts in all den vielen Jahren nie leicht gefallen. Das mag daher kommen, daß ich die Worte meines alten Senatsvorsitzenden Meier-Gildemeister nicht vergessen konnte, dem Herr Dr. Stiebeler mit sehr freundlichen und anerkennenden Worten die Urkunde über den Eintritt in den Ruhestand aushändigte. Mit der ihm eigenen hintergründigen Ironie bemerkte Herr Meier-Gildemeister: "Wie gut, daß ich all diese schönen Worte noch hören kann, denn normalerweise ist man schon tot, wenn sie so gesprochen werden."

Heute bin ich geneigt, das alles viel unbefangener zu sehen, denn schließlich bin ich der Glückspilz, dem alle mit Freundlichkeit begegnen. Ich bin fest entschlossen, die Gunst der Stunde zu nutzen, und alle schönen Worte hemmungslos zu glauben.

Auch das Alter verpflichtet, zumindest zu einem gewissen Quantum an Güte und Weisheit. Wenn ich hier einen kleinen Rückblick wage, wie es dem Scheidenden zukommt, dann werde ich, soweit das in meinen Kräften steht, bemüht sein, Anwandlungen von Zorn und Streitlust zu unterdrücken und die Dinge in ein freundliches und mildes Licht zu tauchen. Sollte es dabei zu gelegentlichen Rückfällen kommen, bitte ich mir das nachzusehen. Schließlich habe ich dieser Tage in einem Kommentar nachgelesen, daß ein Mensch, der das 65. Lebensjahr erreicht hat, stante pede aus den Staatsdiensten zu entlassen ist, weil er dort Vollgültiges ohnehin nicht mehr leisten kann.

Als Sie mir, lieber Herr Dr. Stiebeler, an meinem 65. Geburtstag so fröhlich mit den Worten gratuliert haben, "nun hat das Fallbeil auch sie erwischt", da habe ich mich nicht ganz des Eindrucks erwehren können, daß ein Hauch von Schadenfreude im Raum ist. Um ehrlich zu sein, die kann ich auch nachempfinden, denn immerhin waren es ihre beiden ersten Präsidialrichter, die Herren Makowka und Metzinger, die sich seinerzeit gegen Sie verbündet hatten, um alle Hebel in Bewegung zu setzen, für Hamburgs Richter die Herabsetzung der Altersgrenze auf das 65. Lebensjahr zu erreichen. Wenn man es richtig bedenkt, hätten sie eigentlich stolz auf uns sein können, denn von Ihnen haben wir gelernt, wie man so etwas händelt, und ehrlich gesagt, wir beide, Herr Makowka und ich, waren damals beide bis zum allerletzten Augenblick höchst unsicher, ob Sie uns den Weg zum Erfolg nicht noch abschneiden würden. Wir kannten die Qualitäten unseres Präsidenten und Lehrmeisters. Und um ein Haar wären wir, wie Sie sich gut erinnern werden, auch tatsächlich gescheitert. Nun hat das Fallbeil mich tatsächlich erwischt, und das ist denn wohl auch ganz in Ordnung.

Was bleibt, wenn alle Schlachten geschlagen und alle Bilanzen geschlossen sind, das sind die Bilder der Erinnerung. Wenn ich sie so vor Ihnen ausbreiten dürfte, wie ich sie vor Augen habe, dann stünden sie noch im Jahre 2000 hier. Und würden womöglich den Beginn eines neuen goldenen Zeitalters der Justiz verpassen. Also, ich werde mich, wie es sich für einen Amtsgerichtsmenschen gehört, auf das Wesentlichste beschränken.

Zunächst eine persönliche Bemerkung:

Wer wie ich mit dem Strom der Flüchtlinge 1945 in das völlig zerstörte Hamburg gekommen ist, Bilder des Krieges gesehen und die bittere Not der ersten Nachkriegsjahre erlebt hat, von den entsetzlichen Schrecknissen einer wahnsinnigen Diktatur erfahren mußte, die sich in den Jahren seiner Kindheit ereignet haben, der kann das alles nicht vergessen.

Daraus erwachsen ist wie wohl bei vielen Altersgenossen ein Gefühl großer Dankbarkeit, der Dankbarkeit dafür, in einem Land des Wohlstands und des Friedens leben zu können, fast wie in einem unverdienten Glück.

Auch bleibt selbst im Rückblick noch ein Gefühl der Genugtuung, so lange und so vielfältig dem Recht und dem Rechtswesen gedient zu haben, das in diesem Lande nach 1945 neu begründet und gelebt werden mußte. Aber es gibt - auch das haben andere an dieser Stelle schon mit Recht gesagt - keinen Grund, uns über diejenigen zu erheben, die nach 1933 bis zum Kriegsende unsere Vorgänger am Sievekingplatz waren. Sie hatten es unendlich viel schwerer als wir, und wir können nicht wissen, ob wir uns besser als sie bewährt hätten, wenn wir an ihrer Stelle gewesen wären.

Zivilcourage ist hierzulande eine sehr seltene Eigenschaft, und zum Helden sind nur wenige geboren.

In der Reihe der Amtsgerichtspräsidenten am Sievekingplatz bin ich der Letzte, und dies in doppeltem Sinne. Der Letzte in diesem Jahrhundert und wohl auch der Letzte, der noch die ganze ungeteilte Verantwortung für alle Amtsgerichte in Hamburg getragen hat. Denn zum Schluß habe ich in diesen Tagen den für die Justiz Verantwortlichen einen Bericht zur sogenannten "Segmentierung des Amtsgerichts" vorgelegt, der die Wege beschreibt, wie die Verantwortung zwischen dem Amtsgerichtspräsidenten und mehr als einem halben Dutzend neuer Direktoren im Amtsgericht Hamburg-Mitte aufgeteilt werden kann, um so die Last der Verantwortung auf mehr Schultern zu verteilen.

Ein Unternehmen, das, wie ich finde, seine Chancen, aber auch seine Risiken hat.

11 Amtsgerichtspräsidenten hat die Stadt bisher gehabt. Tatsächlich waren wir unser zwölf, aber der erste, der legendäre Heinrich Martin Peter Goldenbaum, zuvor erster Amtsrichter in Bergedorf, führte noch die Amtsbezeichung "Oberamtsrichter".

Über diejenigen, die vor 1945 amtiert haben, wissen wir nur noch wenig. Das hängt mit den unterschiedlichen Traditionen zusammen, die wir in der Hamburger Justiz haben.

In der Justizbehörde werden Senatorinnen und Senatoren, wenn sie ausgedient haben, aufgehängt. In Fotografien und in langer Reihe. Nach neuesten Pressemeldungen werden sie sogar vorläufig auf- und ab- und wieder aufgehängt. Einige sollen zeitweise ganz verschwunden sein. Die Sache mit dem Nagel, der für den amtierenden Präses schon während seiner Amtszeit vorsorglich in die Wand eingeschlagen wird, halte ich allerdings für ein Gerücht, das von Übelmeinenden verbreitet wird.

Präsidenten des Oberlandesgerichts werden, der Weihe des Hauses entsprechend, in Öl gemalt. Das Geld dazu wird in der Neuzeit allerdings, der etwas peinlichen materiellen Lage entsprechend, zusammengeschnorrt. Man versucht sich die Lage dadurch etwas zu erleichtern, daß man Präsidenten mit möglichst langer Amtsdauer wählt.

Das Landgericht ist wie häufig etwas unentschlossen. Einige ältere Präsidenten sind noch in Öl vorhanden. Neuere tauchten zeitweise in einfach gerahmten Fotografien auf, sind dann aber wieder verschwunden. Irgendwann, liebe Frau Görres-Ohde, werden Sie auch damit ins Reine kommen.

Ganz anders das Amtsgericht: Hier werden die Präsidenten, um einen modernen Ausdruck zu gebrauchen, schlicht entsorgt. Sie verschwinden ganz einfach. Sie haben ihre Zeit gehabt, und was sie in ihrer Zeit bewirkt haben, das zählt. Im Guten wie im Schlechten. Ich finde, ein durchaus gesundes und sehr amtsrichterliches Prinzip. Die Sachen werden erledigt und dann weggelegt.

Eines haben wir glücklicherweise noch nicht entsorgen können, weil wir auch da in Rückstand geraten sind: die Akte mit den Reden, die die Präsidenten des Gerichts seit 1945 zu Beginn und am Tage ihrer Amtszeit gehalten haben. Bruno Müller, Friedrich Schwarz, Reinhart Vogler, Günther Schierholt, Paul Wienbeck und Horst Möller.

Zum Schluß meiner Amtszeit habe ich sie alle gelesen, um sie mit meinen eigenen Erfahrungen und Einsichten zu vergleichen, und dabei eine erstaunliche Entdeckung gemacht: Sie stimmen in den wesentlichen Dingen so sehr überein, daß man meinen könnte, es seien die Betrachtungen und Erfahrungen eines einzigen Präsidenten.

Allen gemeinsam war die Liebe zum Richterberuf. Am schönsten hat das 1954 Reinhart Vogler zum Ausdruck gebracht, als er das Amt des Amtsgerichtspräsidenten antrat.

"Darf man die richterliche Tätigkeit", so war seine Frage, "wenn man ihr mit Leib und Seele verfallen ist, so weitgehend in den Hintergrund treten lassen, wie es hier geschehen muß. Wird man den großen Aufgaben, die in den nächsten Jahren neu an uns herantreten werden, wirklich mit dem gleichen Nutzen für die staatliche Gemeinschaft erfüllen können wie das richterliche Amt, dessen Ausübung die jahrzehntelange Erfahrung schon erleichterte? Wird man also, wenn man eines Tages abtritt, sich des Wechsels nicht zu schämen brauchen.?"

In der Tat, lieber Herr Vogler, das war die Frage, und wird wohl immer wieder die Frage sein.

Allen gemeinsam, und auch hier schließe ich mich mit ein, war die Überzeugung, daß Präsidenten und – notabene erst recht eine Justizverwaltung - die Gerichte nicht zu regieren, sondern ihnen zu dienen haben. Ich zitiere anstelle aller noch einmal Vogler:

" Die Justiz ist eine sehr empfindliche Pflanze, die ein neuer Gärtner nicht mit Forschheit und Gewaltmaßnahmen, sondern verständigerweise nur ihren Lebensbedingungen gemäß weiter pflegen kann. Es entspricht guter hanseatischer Tradition, daß die Gerichte möglichst wenig von ihrer Verwaltung merken. Je weniger Verwaltung, desto freier die Entfaltung der Einzelpersönlichkeit. Nicht die Verwaltung, sondern der Richter ist und bleibt das Herz der Justiz."

Wahre Worte, so denke ich, wahr auch in unseren Tagen und wahr auch für die Zukunft.

Das dritte, was allen Präsidenten gemeinsam ist, war die tiefe Sorge, der eigenen Verantwortung nicht gerecht werden zu können, weil die dem Gericht zur Verfügung stehenden Kräfte trotz aller Bemühungen nicht ausreichen könnten, um den Anforderungen gerecht zu werden.

Diese Sorge um die Funktionsfähigkeit des Gerichts hat alle umgetrieben, den ersten wie den letzten, unterschiedlich je nach Temperament und Zeitläuften, aber unübersehbar und mit zunehmender Tendenz. Es scheint so, als ob etwas im Grundverhältnis zwischen Rathaus und Sievekingplatz nie ganz in Ordnung war.

Auskunft darüber gibt ein geradezu erschütterndes Dokument, es ist die Abschiedsrede des zehnten Präsidenten, Paul Wienbeck aus dem Jahre 1975.

Ich zitiere ein letztes Mal:

"Seit einem Vierteljahr lebe ich nun im Ruhestand und wäre dankbar gewesen, wenn mein Abschied aus dem Amt so still und lautlos hätte sein dürfen, wie ich vor 46 Jahren meinen Dienst in der Justiz angetreten habe. Alle guten und anerkennden Worte, ....können meinem Schmerz und meiner Enttäuschung nicht abhelfen, daß ich ....und natürlich ich nicht allein, auf verlorenem Posten gekämpft habe. Vor zehn Jahren übernahm ich aus den Händen meines Vorgängers, Herrn Dr. Schierholt, ein im großen und ganzen intaktes Gericht. .... Was ich meinem Nachfolger hinterlasse, ist nur ein Schatten davon, und niemand kann sagen, was neue einschneidende Maßnahmen davon noch übrig lassen werden. Was hat es auf sich mit diesem merkwürdigen, geradezu planmäßig wirkenden Abbau der Justiz in diesem Lande, wo soviel von Rechtsstaat die Rede ist, von den Gerichten alles erwartet und immer mehr verlangt, jedoch alles, was sich dort abspielt, bekrittelt und bespöttelt wird? ..."

Den Rest des Zitates möchte ich Ihnen ersparen.. Das Thema Haushalt und Justiz, das Ringen der Justiz um die notwendigen Haushaltsmittel, ist in dieser Stadt ein Thema mit unendlichen Variationen, und es scheint so, als seien die Beteiligten dazu verurteilt, dasselbe Stück immer wieder aufzuführen. Wann immer die Haushaltssituation prekär wird, beklagen Gerichtspräsidenten laut, daß sie die Funktionsfähigkeit ihrer Gerichte in Gefahr sehen, Senat und Bürgerschaft reagieren darauf nur widerwillig oder gar nicht. Sie geben sich lieber der Vorstellung hin, daß es irgendwie schon gut gehen wird, der Ruf nach Reformen und Modernisierung wird laut, alte Vorurteile werden neu belebt und liebevoll restauriert. Die Wahrheit ist, daß die Mitspieler gar nicht erkennen können, wann die Grenzen der Belastbarkeit überschritten werden. Für den Zuschauer wird dieses immer gleiche Szenario auf Dauer langweilig, genau das aber ist das Gefährliche des Spiels, weil zum Schluß niemand mehr merkt, wenn es tödlicher Ernst wird. Erst wenn der Schaden sinnfällig eingetreten ist, wird reagiert.

Wie Recht Paul Wienbeck zu seiner Zeit hatte, können Sie in den Vorlagen des Senats an die Bürgerschaft aus den Jahren 1976/1977 nachlesen, mit der in die Gerichte und Staatsanwaltschaften binnen kürzester Frist genau so viele Stellen hineingepumpt wurden, wie man zuvor im Rahmen eines Sparprogramms gegen alle Proteste und Warnungen eingespart hatte. Die Defizite der Justiz waren schlicht unerträglich geworden. Es war dies die Zeit meiner Lehrjahre in Justiz- und Haushaltspolitik.

Ich möchte hier kein großes Lamento anstimmen, aber doch den Verantwortlichen die damalige Situation in Erinnerung rufen. Denn ich bin mir sicher, daß wir wieder einmal am Scheidewege angekommen sind. Wie der damalige Amtsgerichtspräsident Schierholt übergebe ich ein im Großen und Ganzes intaktes Gericht. Die hamburgischen Amtsgerichte haben insgesamt noch einen hohen, in großen Teilen sogar sehr hohen Leistungsstand, sie haben heute auch einen hohen technischen Entwicklungsstand, und sie haben ein hohes Maß an Innovationsfähigkeit.

Wie anders hätten wir sonst so hochkomplizierte Verfahren wie die Automation der Grundbuchämter und des Mahnverfahrens realisieren und in kürzester Zeit die Einrichtung des Insolvenzgerichts mit moderner technischer Ausstattung auf die Beine stellen können. Was eine engagierte und reformfreudige Gerichtsverwaltung leisten kann, das haben wir in den vergangen Jahren geleistet. Das sage ich hier mit dem fröhlichen Selbstbewußtsein eines Mannes, der es nicht nur wissen muß, sondern der es weiß. Wir haben uns auch den Wind des Reformprozesses "Justiz 2000" zunutze gemacht und alles vorangetrieben, was wir darin für richtig befunden haben. Ich erspare Ihnen den Vortrag unserer Erfolgsbilanzen, wie ich auch nicht die Absicht habe, sie heute mit der Liste unserer Schadensbilanzen zu langweilen. Wir haben getan, was uns möglich war, um die Funktionsfähigkeit der Amtsgerichte zu sichern.

Der Personalabbau der vergangenen Jahre ging jedoch weit über das hinaus, was wir durch Rationalisierungsmaßnahmen auffangen konnten. Die Reserven sind restlos erschöpft. Ich sehe nicht, wie ich mit der Konsolidierungslast, die in diesem Jahr auf die Amtsgerichte zukommt, einer Absenkung des Personalbudgets um weitere zwei Millionen DM binnen zehn Monaten, hätte fertig werden können, und meine Phantasie reicht nicht aus, um mir vorzustellen, wie die Amtsgerichte mit weiteren für das Jahr 2000 geplanten Konsolidierungslasten leben können, ohne dauerhaft schweren Schaden zu nehmen. Meine Verantwortung endet hier, und ich bin froh, daß ich das Ganze bis zu diesem Tage zusammenhalten konnte. Aber ich habe große Sorge, daß, wer immer mir nachfolgt, das Schicksal des Präsidenten Wienbeck erleiden könnte. Man sollte auf ihn hören, ehe es zu spät ist.

Ehe ich zum Ende kommen, erlauben Sie mir einige Worte des Dankes. Ich bitte um Verständnis, wenn ich hier nur wenige Namen nenne, denn die Zahl derer, denen ich mich zu Dank verpflichtet fühle, ist viel zu groß, als daß ich sie hier alle aufzählen könnte.

Einen Namen möchte ich vorweg nennen, den meiner Sekretärin Frau Speck. Es ist mir unbegreiflich, wie ein Mensch so gleichbleibend tüchtig und dabei immer gutgelaunt sein kann. Ich habe das dankbar hingenommen. Es hat mir meine Tage leichter gemacht und mich vor den Folgen mancher Ausfälle bewahrt, wie sie leider bei Vielbeschäftigten gelegentlich zu beobachten sind.

Zwei große Namen der Hamburger Justiz sind es, die ich an den Anfang stellen möchte, den unseres alten OLGPräsidenten Professor Stiebeler und den unserer langjährigen Justizsenatorin Frau Leithäuser. Ohne ihr Vertrauen hätte ich meinen Weg nicht gehen können. Mit beiden habe ich lange Zeiten sehr eng zusammengearbeitet, beide waren für mich, jeder auf seine Weise, Vorbilder, und beiden verdanke ich eine Fülle von Einsichten und Erfahrungen, ohne die ich in meinem Amt nicht hätte bestehen können. Herr Dr. Stiebeler war in den siebziger Jahren, einer Zeit heute schon unvollstellbarer Umwälzungen und unglaublicher Dramatik, die die Justiz in vieler Hinsicht durch eine tiefe Krise geführt hat, das eigentliche und beherrschende Kraftzentrum in Hamburgs Justiz. Als sein erster Präsidialrichter habe ich erfahren, daß und wie man für die Sache der Justiz kämpfen und streiten muß, wenn sich Justiz ihrem Range und ihrer Bedeutung gemäß als eigenständige dritte Gewalt behaupten will.

Mit Frau Leithäuser habe ich als deren Haushaltschef fünf Jahre lang für die Belange der gesamten Hamburger Justiz auf der Ebene der Behörden, des Senats und der Bürgerschaft gekämpft und gestritten. Was mich zutiefst beeindruckt hat, war der leidenschaftliche und bedingungslose Einsatz meiner Senatorin für die Belange der Justiz, ihr Wissen um die Gefährdungen der Justiz und ihre tiefe Überzeugung von der Bedeutung einer unabhängigen Justiz. Sie hat sich, auch damals in einer tiefen Haushaltskrise, um die Hamburger Justiz wahrlich in hohem Maße verdient gemacht. Ich bin mir ziemlich sicher, daß ich mich auf das so schwierige Amt des Amtsgerichtspräsidenten nicht eingelassen hätte, wenn ich nicht ihr Beispiel vor Augen gehabt hätte.

Dank schulde ich allen fünf Justizsenatorinnen und Senatoren, die in meiner Amtszeit für die Geschicke der Justiz im Senat verantwortlich waren. Ich weiß, welch schweren Stand der Präses der Justizbehörde im Senat hat: Justiz hat keine Lobby, und die Belange der Justiz rangieren in Hamburg – und wohl nicht nur hier - auf der politischen Agenda ziemlich weit unten. Das mag man beklagen, es ist aber so. Und natürlich ist es ein mehr als schwieriges Unterfangen, in einem Senat, in dem jedes Mitglied die gleiche Stimme hat, Senatskollegen, die sich selbst durch die Haushaltsmisere bedrängt sehen, dafür zu begeistern, aus eigener Tasche auch noch einen Beitrag für die Justiz zu leisten.

Dank zu sagen habe ich den vielen Mitarbeitern in der Justizbehörde, die uns über die Jahre in vielfältiger Weise geholfen und unterstützt haben.

Mein Dank gilt den Präsidentinnen und Präsidenten aller hamburgischen Gerichte für Hilfsbereitschaft, Gesprächsbereitschaft und große Solidarität. Einen möchte ich dabei, das mögen die anderen mir nachsehen, besonders nennen. Meinen langjährigen Nachbarn auf dem Stuhl des Landgerichtspräsidenten, Herrn Dr. Makowka. Was er in den letzten Jahrzehnten für den Sievekingplatz bedeutete, das brauche ich nicht zu sagen, das wissen hier alle. Für mich hatte er eine eigene, schwer beschreibbare Bedeutung. Wir haben uns eigentlich immer dann gesucht und gefunden, und das meist zu später Stunde, wenn wir für uns selber Klarheit brauchten in Fragen, die mit nüchternem Verwaltungsverstand nicht zu lösen waren, meistens waren es Fragen über den richtigen Umgang mit Menschen und Fragen in den wirklich heiklen Angelegenheiten der Justiz. Falsch oder richtig, das war die Frage, und wir hatten einen Maßstab, über den wir nicht zu sprechen brauchten: niemanden ohne Not zu verletzen und den Geist der Toleranz und Liberalität nicht zu beschädigen, dem wir uns in unserer Hamburger Justiz verpflichtet sahen und der uns beiden kostbar war. Es war eine gute Nachbarschaft, lieber Herr Makowka, und sie hat viel Gutes bewirkt.

Dank sagen möchte ich Hamburgs Rechtsanwälten und Notaren, deren Gesprächsbereitschaft und Verständnis für unsere Schwierigkeiten uns in vielen Situationen geholfen hat, den Kollegen in der Anwaltskammer wie im Anwaltsverein, und den Präsidenten und Mitgliedern der Notarkammer. Dankbar erinnere ich auch an die gute Zusammenarbeit mit Staatsanwaltschaft und Polizei. Es war der kurze und direkte Draht, der in vielen kritischen Situationen geholfen hat.

Zum Schluß lassen Sie mich ein paar Worte zu unseren Amtsgerichten sagen, die Welt in der und für die ich gelebt habe. Das ist und war für mich ungeachtet der Fülle von Problemen eine rundum schöne Welt. Es gibt nichts, was man nicht verbessern kann, aber in diesem großen Rechtsprechungsunternehmen, immerhin dem zweitgrößten der Bundesrepublik, in dem rund 1700 Menschen arbeiten, gibt es eine Kultur, die mich fasziniert und getragen hat.

Es ist eine Kultur, der hierarchisches Denken fremd ist. Es ist das offene und selbstbewußte Auftreten aller, auch der Jüngsten. Niemand hat hier Schwierigkeiten, auch den Präsidenten an seine Pflichten nachhaltig zu erinnern, wenn die Dinge nicht so laufen wie sie laufen sollten. Und ich meine dabei nicht nur die Richter. Es gibt eine sehr unkomplizierte, offene und lebendige Diskussionskultur, wie man sie in einem Gericht vielleicht gar nicht vermuten würde. Es gibt Kritik- und auch Konfliktfähigkeit, aber es gibt in alledem auch ein hohes Maß von Sachlichkeit und Sachkunde, und es gibt einen ausgeprägten Sinn für Effektivität.

Das alles führt zu einer großen inneren Geschlossenheit des Ganzen. Was für richtig befunden wird, das wird auch von allen mitgetragen.

Deshalb fällt es mir leicht, mich ehrlichen Herzens bei all den vielen zu bedanken, mit denen ich auf allen Ebenen der Gerichtsverwaltung in dreizehn Jahren zusammengearbeitet habe, und ich freue mich, daß ich sie hier heute alle noch einmal versammelt sehe. Ich kann sie unmöglich alle nennen. Ich danke den Direktoren der Stadtteilgerichte und ihren Geschäftsleitern, den vielen Dezernatsleitern und Dezernatsgeschäftsleitern, den vielen, die mit mir jeden Mittwoch den großen Kriegs- und Krisenrat gehalten haben, der tüchtigen Mannschaft der Zentralverwaltung, und ich danke insbesondere der großen Zahl meiner Präsidialrichter, denen ich eine große Verantwortung für die Belange der Richter anvertraut habe, ein Vertrauen, das von allen in reichem Maße belohnt worden ist. Ohne ihre Arbeit hätte ich bei der Fülle der Aufgaben mein Amt gar nicht wahrnehmen können. Ich danke allen, die in meiner Zeit Mitglieder des Präsidiums, des Personalrats und des Richterrats waren. Ich brauche es eigentlich gar nicht zu sagen, wir alle haben es erlebt, es war eine gute, reibungslose von gegenseitigem Respekt getragene Zusammenarbeit.

Fünf Namen bleiben, die ich zum Schluß nennen muß: Sie waren zu jeder Zeit und zu jeder Stunde für mich da, sie waren mit Herz und Verstand bei der Sache, und ich glaube nicht, daß sie überhaupt jemals richtig außer Dienst waren: Ich bedanke mich bei Frau Umlauf, meiner Vizepräsidentin, ich bedanke mich bei Herrn Mahlke, meinem früheren Vizepräsidentin, und ich bedanke mich bei meinen drei Geschäftsleitern, Geschäftsleitern von großem Format, Herrn Böhring, Herrn Kauffert und Herrn Rosemeier. Sie alle haben sich um die Amtsgerichte wahrlich verdient gemacht.

Lassen Sie mich noch ein letztes Wort sagen zu den Richtern und Rechtspflegern, ihren Mitarbeitern und unseren Gerichtsvollziehern. Nicht wir, die wir die Geschäfte der Verwaltung besorgt haben, sondern sie sind das Herz des Sievekingplatz. Was sie in den dreizehn Jahren meiner Amtszeit geleistet haben, in Zivilsachen, in Familiensachen, in Strafsachen, in Vormundschaftssachen, in Nachlaßangelegenheiten, in Konkurs- und Zwangsvollstreckungsverfahren, in den Grundbuchämtern, im Handelsregister und in einer Fülle von Verfahren, die ich gar nicht alle aufzählen kann, ist unermeßlich. Was hier an menschlicher und richterlicher Kompetenz, an Leistungswillen und Leistungsbereitschaft vereint ist, hat für die Bürger der Stadt einen unschätzbaren Wert. Die Stadt sollte sich dessen bewußt sein. Sie braucht ihre Justiz wie das tägliche Brot.

Verehrte Frau Senatorin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde und Gäste: Die Akte des 12. Amtsgerichtspräsidenten kann nun geschlossen werden.

Ehe ich sie ganz schließe, erlauben sie mir noch ein persönliches Wort. Ich habe gern und mit viel Freude in der Justiz und für die Justiz gearbeitet. Und ich glaube, daß ich hier am Sievekingplatz nichts von dem schuldig geblieben bin, was mir möglich war. Aber es geht mir nicht besser als vielen anderen: ich hätte das alles nicht leisten können ohne den Beistand meiner Frau, und da ist eine Schuld offen geblieben. Weil meine Frau es ganz und gar nicht schätzt, öffentlich in den Mittelpunkt gestellt zu werden, bin ich etwas unsicher, wie ich mich ausdrücken soll. Roman Herzog hat das neulich hier in Hamburg bei anderer Gelegenheit so schön nüchtern gesagt. Ohne unserer häusliche Basis wären wir alle nichts. Also - ich bedanke mich bei meiner häuslichen Basis, und verspreche Besserung.

Ich denke, jetzt ist es an der Zeit, die Akte ganz zu schließen.

Ich wünsche den Hamburger Amtsgerichten und der Hamburger Justiz insgesamt eine gute Zukunft, und denen, die nach mir kommen, eine glückliche Hand. Ratschläge habe ich nicht mehr zu erteilen. Jede Generation muß ihren eigenen Weg finden, und jede Generation hat auch das Recht, ihre eigenen Fehler zu machen.

Wenn ich die Quintessenz meiner eigenen Erfahrungen und Einsichten in einem einzigen Satz zusammenfassen soll, dann finde ich sie am besten aufgehoben in den Worten des französischen Dichters Andre Gide, mit denen ich mich verabschieden möchte:

Vertrauet denen,
die die Wahrheit suchen,
und mißtrauet denen,
die sie gefunden haben.