(Dieser Artikel ist veröffentlicht in MHR 3/99) < home RiV >
NStZ 7 und SAT 1

Fernsehen im Gerichtssaal, so sagt uns unser geschätzter Kollege Dr. Plate, sei unzulässig (NStZ 1999, S. 391 ff.). Macht nichts, sagt SAT 1, "ab 27.09.1999 geht Richterin Barbara Salesch auf Sendung" (alle weiteren Zitate aus der Presseerklärung von SAT 1). SAT 1 und Dr. Plate sind zwar einer Meinung, dass Aufnahmen im Gerichtssaal verboten sind. Nicht aber, wenn SAT 1 ein eigenes "Gericht" gründet. Denn "Richterin Salesch bietet ... ein anerkanntes ... unabhängiges Schiedsgericht" und, so erfahren wir, "das kann überall tagen".

Was soll’s, wird mancher denken. Tagte nicht weiland das Fernsehgericht und treten heute nicht auch Staatsanwälte und Richter, so auch der Verfasser, in der Sendung "Wie hätten Sie entschieden" vor die Kamera? Mit Steinen soll nicht werfen, wer im Glashaus sitzt; aber, hier ist doch einiges anders! Denn:

In der Sendung werden "rechtskräftige Urteile" gesprochen, "ein absolutes Novum im deutschen Fernsehen". Wie wahr! Dafür muss natürlich kräftig geworben werden, mit Kleinanzeigen in Regionalblättern unter Hinweis darauf, dass "Richterin Salesch ... ein faires, unparteiliches Urteil sprechen wird ... und die Entscheidung rechtskräftig ist".

Darüber hinaus:

Die Anwälte stellt der Sender, eigene Anwälte dürfen mitgebracht werden und, man glaubt es kaum, die Parteien erhalten kein Honorar. Vielleicht sollte SAT 1 darüber nachdenken, der unterlegenen Partei Schmerzensgeld zu zahlen. Geeignete Fälle werden noch per Inserat gesucht. Jedoch steht schon jetzt die Tendenz fest. "Unversöhnliche Autofahrer und zänkische Nachbarn" stehen ins Haus und "die Kamera ist dabei, wenn sie vor das Richterpult treten". Man darf gespannt sein, wie Frau Salesch den "Streit um die ausgiebige Nutzung eines Bettes" entscheiden wird. Selbstverständlich rechtskräftig!

So frei ist unsere Kollegin Salesch aber dann doch nicht. Denn nicht sie, nicht die Parteien, SAT 1 wählt aus, was am Gerichtsstand des werbewirksamsten Zwistes Köln-Godorf gecastet wird. Und wenn dann vor dem "Urteil" das Hämmerchen der Richterin fällt in einem mystisch verklärten Gerichts-Show-Saal, dann folgt nicht etwa "im Namen des Volkes", was ja auch wohl unzulässig wäre, nein, dann kommt erst der Werbeblock. Vielleicht erleben wir ja, dass die Sendung von Warsteiner oder Jägermeister gesponsert wird. Oder sollten sich die Teilnehmer für den Fall der Niederlage vorher besser Allianz versichern? Denkbar auch, dass die deutschen Gerichte, es sollen ja ordentliche sein, damit werben, unabhängiger als die werbefinanzierte Kollegin Salesch zu sein. Wir werden sehen. Zwei Jahre lang! Denn so lange ist Frau Salesch beurlaubt, um von Montag bis Freitag ab 18.00 Uhr "Recht zu sprechen". "Neugierig? Sie erhalten weitere Informationen. Rufen Sie das Büro der Richterin Salesch ... an ... täglich von 10.00 bis 19.00 Uhr, DM 0,24 pro Minute". Die Nummer erfahren Sie im Internet.

Gerhard Schaberg